Die Methode Scholz: Der Unaufgeregte

    Die Methode Scholz:Der Unaufgeregte

    Dominik Rzepka Twitter Avatar
    von Dominik Rzepka
    05.09.2022 | 11:41
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    Viele sind sehr aufgeregt, sagt Olaf Scholz im ZDF-Sommerinterview. Er aber wolle das nicht sein. Ist das der Grund, warum der Kanzler oft zu langsam reagiert?

    Es ist einer dieser Momente, in denen Olaf Scholz Olaf Scholz erklärt. "Wir sind in einer Zeit, in der viele sehr aufgeregt sind, und ich zähle nicht zu diesen und will es auch nicht sein", sagt Scholz im ZDF-Sommerinterview. So also sieht der Kanzler sich selbst. Unaufgeregt. Bloß nicht Reflexen folgen.
    Die Methode hat gut funktioniert. Sie hat Scholz, den Underdog, zum Kanzler gemacht. "In der Ruhe liegt die Kraft", hatte Angela Merkel stets gesagt. Scholz' Satz aus dem ZDF-Sommerinterview ist seine Version von Merkels Mantra.

    Abbas-Eklat: Die langsame Reaktion des Kanzlers

    Doch mit dieser Methode ist Scholz zuletzt grandios gescheitert. Als Palästinenserpräsident Abbas Mitte August im Kanzleramt zu Gast ist, relativiert er den Holocaust. Es ist der Moment, in dem Scholz vom Drehbuch abweichen müsste, schnell reagieren müsste, reflexartig. Doch Scholz schweigt. Ein Eklat.
    Im ZDF verteidigt er sich nun. "Was die Äußerung von Herrn Abbas betrifft: Das habe ich scharf kritisiert und ich habe dafür viele gute Rückmeldungen aus Israel bekommen", sagt Scholz. Er habe "sehr schnell die notwendige Aussage" gemacht. Ehrlich? Sehr schnell? Wohl kaum. Eher Schadensbegrenzung im Nachhinein.

    Scholz und das Misstrauen zur Presse

    Mehrfach ist die Methode Scholz an ihre Grenzen gestoßen. Als die Demonstrationen auf dem G20-Gipfel in Hamburg seinerzeit gewaltsam werden, bleibt Bürgermeister Scholz in der Elbphilharmonie. Als im März 2022 der ukrainische Präsident Selenskyj im Bundestag spricht, bekommt er keine Antwort. Scholz bleibt stoisch. Fast wie ein Gegenentwurf zum hektischen Berlin.
    Scholz macht kein Geheimnis daraus, dass er dem aufgeregten Politikbetrieb misstraut. Als er die Ergebnisse der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg präsentiert, knüpft er sich die Journalistinnen und Journalisten vor. "Dass Sie davon nicht so viel mitbekommen haben, macht mich professionell stolz", sagt Scholz. Er könnte auch sagen: Ihr Journalisten seid mir zu aufgeregt.

    Scholz kann auch herzhaft lachen

    Stimmt schon. Aus den Koalitionsverhandlungen drangen keine SMS nach außen. Vom 100 Milliarden-Sondervermögen hatte niemand etwas mitbekommen. Scholz inszeniert sich als emotionslosen und ruhigen Macher, der im Hintergrund arbeitet, ohne dass es die aufgeregte Öffentlichkeit mitbekommt. Dabei kann Scholz auch anders.
    Im Sommer 2021 ist er als Finanzminister in Washington. Scholz verkündet die Einigung auf eine globale Mindeststeuer. Er ist geradezu berauscht von seinem Erfolg, lacht, klatscht in die Hände, schäkert mit den Journalisten. Eine ZDF-Dokumentation fängt den seltenen Moment ein. Es ist eine Szene, die nicht so ganz passt zu dem Bild, das er im ZDF-Sommerinterview von sich zeichnet.
    So unaufgeregt ist Scholz gar nicht. Man soll es nur nicht so oft sehen.

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