Sachsen-Anhalt testet Vier-Tage-Woche in Schulen

    Verbände kritisieren Versuch:Sachsen-Anhalt: Vier-Tage-Woche in Schulen

    08.07.2022 | 13:58
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    Vier Tage im Klassenzimmer, einmal Distanzunterricht: Zwölf Schulen in Sachsen-Anhalt starten mit einem neuen Bildungs-Modell ins neue Schuljahr. Verbände kritisieren den Versuch.

    Archiv: Stühle sind in einem Klassenzimmerhochgestellt.
    Distanzunterricht, praktische Erfahrungen, Vertiefung: Einmal in der Woche soll an zwölf Schulen der Unterricht nicht in der Klasse statttfinden.
    Quelle: dpa

    Sachsen-Anhalt will an einem Dutzend Schulen ein Modell mit vier Präsenz-Unterrichtstagen pro Woche und einem Tag fürs Distanzlernen oder praktische Tage in Unternehmen erproben.

    Landtag will neue Bildungsmodelle austesten

    Grundlage sei ein Beschluss des Landtags, neue Modelle zur Unterrichtsorganisation an den Schulen zu erproben, erklärte ein Sprecher des Bildungsministeriums in Magdeburg an diesem Freitag. Die Schulen hätten sich auf eine entsprechende Ausschreibung hin gemeldet.
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    Insbesondere an Sekundarschulen fehlen viele Lehrkräfte, Unterrichtsausfall ist vielfach vorprogrammiert. Das Ministerium sieht das Modell aber nicht als Instrument gegen Lehrermangel.

    Zwölf Schulen machen mit

    Konkret soll das 4-plus-1-Modell im neuen Schuljahr 2022/23 an zwölf Sekundar- und Gemeinschaftsschulen erprobt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen an vier Tagen in den Schulen unterrichtet werden.
    Mit dem fünften Tag soll dem Ministeriumssprecher zufolge relativ kreativ umgegangen werden. Digitales Lernen über Apps oder das Moodle-Portal seien ebenso möglich wie Besuche in Unternehmen und Praxislerntage. Das Modellprojekt soll ein Schuljahr lang laufen und dann ausgewertet werden, hieß es.

    Kritik und Zweifel bei Verbänden

    Kritik gibt es von Lehrerverbänden. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) erklärte am Freitag, das Modell stelle "eine Bankrotterklärung des Landes Sachsen-Anhalt im Bildungsbereich dar". Der Landesvorsitzende Torsten Wahl kritisierte: 

    Hier wird eindeutig Lebens- und Lernzeit auf Kosten der Schülerinnen und Schüler vergeudet.

    Torsten Wahl, VBE

    Ein solcher Tag müsse sehr gut in die Unterrichtsarbeit eingeplant, vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden. Ein Distanzlerntag bedeute jedoch für die Lehrkräfte eine "enorme zusätzliche Belastung".

    Meidinger: Unterrichtsausfall wird kaschiert

    Auch der Deutsche Lehrerverband hält nichts von der Idee. "Das sehen wir außerordentlich kritisch", sagt Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger.

    Wir haben nicht nur den Verdacht, dass da ein Sparmodell schrittweise auf leisen Sohlen eingeführt werden soll, sondern dass dadurch auch die Unterrichtsausfallstatistik massiv geschönt werden soll.

    Hans-Peter Meidinger, Deutscher Lehrerverband

    Meidinger sagte, Distanzunterricht möge in der Oberstufe, wo Jugendliche selbstständiges Arbeiten gewohnt seien, zeitweise funktionieren. Jüngere Schülerinnen und Schüler bräuchten aber den Präsenzunterricht.

    Lehrerverband fürchtet Niveauverlust

    Besonders kritisch sieht der Lehrerverbandspräsident, dass der fünfte Tag flexibel gestaltet werden soll. "Das heißt, dass es gar nicht mehr auf die Fachstundentafel ankommt, sondern dass man da quasi machen kann, was man will." Meidinger befürchtet dadurch einen "dauerhaften Niveauverlust". Bisher verbindliche Lernziele würden noch weniger erreicht werden können.
    Quelle: dpa

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