Rechtsruck in Schweden:Kristersson zum Ministerpräsidenten gewählt
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Der Nachfolger von Magdalena Andersson steht fest: Der Konservative Ulf Kristersson ist vom Parlament zu Schwedens neuem Ministerpräsidenten gewählt worden.
Rund fünf Wochen nach der Parlamentswahl in Schweden ist der Konservative Ulf Kristersson zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden. Der 58-Jährige erhielt am Montag auch dank der Stimmen der rechtspopulistischen Schwedendemokraten die benötigte Unterstützung des Reichstags in Stockholm. 176 der 349 Abgeordneten stimmten für Kristersson, 173 gegen ihn.
Nach acht Jahren Regierungswechsel
Damit übernimmt der Vorsitzende der konservativen Partei "Die Moderaten" die Nachfolge der sozialdemokratischen Regierungschefin Magdalena Andersson. Bereits am Dienstag wird er eine Regierungserklärung abgeben und sein Kabinett präsentieren. Vollzogen wird der Regierungswechsel dann im Anschluss bei König Carl XVI. Gustaf.
Der konservativ-rechter Vier-Parteien-Block um die Moderaten und die äußerst starken Schwedendemokraten hatte bei der Parlamentswahl am 11. September 176 der 349 Mandate im Reichstag errungen. Das linksgerichtete Lager um Anderssons Sozialdemokraten verpasste die Mehrheit mit 173 Sitzen nur knapp.
Andersson hatte Schweden seit November ebenso mit einer Minderheitsregierung geführt wie in den sieben Jahren zuvor ihr sozialdemokratischer Vorgänger Stefan Löfven.
Die Schwedendemokraten (SD) werden in der Regel als rechtspopulistisch beschrieben. Politikwissenschaftler in Schweden nennen sie rechtsradikal. Laut dem Vorsitzenden der schwedischen Extremismusstiftung Expo ist die Partei "eine Mischung aus Rechtspopulisten und Rechtsextremen".
214 Politiker, die bei der Parlamentswahl 2022 für die Schwedendemokraten kandidiert haben, haben Nähe zum Nationalsozialismus oder Rassismus - so viele wie in keiner anderen schwedischen Partei. Laut einer Studie zählen dazu Politiker, die Mitglieder in Nazigruppen oder Skinheads waren oder wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Einige haben Hasskommentare in rechtsextremen Onlineforen geschrieben.
214 Politiker, die bei der Parlamentswahl 2022 für die Schwedendemokraten kandidiert haben, haben Nähe zum Nationalsozialismus oder Rassismus - so viele wie in keiner anderen schwedischen Partei. Laut einer Studie zählen dazu Politiker, die Mitglieder in Nazigruppen oder Skinheads waren oder wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Einige haben Hasskommentare in rechtsextremen Onlineforen geschrieben.
Quelle: Imago
Die Schwedendemokraten wurden im Jahr 1988 von "Veteranen des schwedischen Nationalsozialismus und Faschismus" gegründet, so die schwedische Extremismusstiftung "Expo".
Einige Gründer kamen aus der Bewegung "Bevara Sverige svenskt" ("Schweden muss schwedisch bleiben") und der "Nordischen Reichspartei", dem ehemaligen "nationalsozialistischen Kampfverbund" - unter ihnen der erste SD-Parteichef Anders Klarström.
Bis 2006 verwendeten die Schwedendemokraten als Parteisymbol eine brennende Fackel in den schwedischen Farben blau und gelb.
Einige Gründer kamen aus der Bewegung "Bevara Sverige svenskt" ("Schweden muss schwedisch bleiben") und der "Nordischen Reichspartei", dem ehemaligen "nationalsozialistischen Kampfverbund" - unter ihnen der erste SD-Parteichef Anders Klarström.
Bis 2006 verwendeten die Schwedendemokraten als Parteisymbol eine brennende Fackel in den schwedischen Farben blau und gelb.
Quelle: dpa
2010 schaffte die Partei das erste Mal den Einzug ins schwedische Parlament (Bild). Bei der Wahl 2010 erhielt die Partei 5,7 Prozent - und wuchs dann stetig: 12,9 Prozent im Jahr 2014, vier Jahre später 17,5 Prozent und bei der jüngsten Wahl 20,6 Prozent. Damit wurden die Schwedendemokraten 2022 erstmals zweitstärkste Kraft des Landes.
Der jetzige Parteichef heißt Jimmie Åkesson, ein Mittvierziger aus Südschweden (Bild). Im Jahr 2012 erklärte er eine "Nulltoleranz" gegenüber Rechtsextremismus. Unter seiner Führung mussten rechtsextreme Mitglieder die Partei verlassen. Åkesson positioniert die Schwedendemokraten mittiger, damit sie für breitere Schichten wählbar werden.
Allerdings kritisiert Expo, dieses Versprechen richte sich vor allem an die Öffentlichkeit. Noch am Wahlabend 2022 hatte eine sichtlich angetrunkene Vertreterin der Partei eine missverständliche und undeutliche Äußerung vor laufenden Kameras gemacht, man konnte sie als "Sieg Heil" verstehen.
Allerdings kritisiert Expo, dieses Versprechen richte sich vor allem an die Öffentlichkeit. Noch am Wahlabend 2022 hatte eine sichtlich angetrunkene Vertreterin der Partei eine missverständliche und undeutliche Äußerung vor laufenden Kameras gemacht, man konnte sie als "Sieg Heil" verstehen.
Eine direkte Regierungsbeteiligung mit Ministerposten gibt es nicht. Die Regierung bilden die konservative Partei "Moderaterna" (M) plus zwei kleinere Parteien. M-Chef Ulf Kristersson (Bild) ist als Drittplatzierter neuer Ministerpräsident. Allerdings lässt er sich von den Schwedendemokraten tolerieren.
Jahrelang hatten die Konservativen das ausgeschlossen. Nun aber ist Kristersson mit Hilfe der Schwedendemokraten an die Macht gekommen. Als Gegenleistung werden die Konservativen Forderungen der Schwedendemokraten erfüllen müssen.
Der große Aufschrei in der schwedischen Gesellschaft bleibt bisher aus. Expo-Chef Daniel Poohl sagt: "Die Schweden haben ihren Widerstand gegen die Schwedendemokraten aufgegeben, sie werden als normale Partei wahrgenommen. Man hat aufgehört zu verstehen, welche Gefahr damit einhergeht."
Jahrelang hatten die Konservativen das ausgeschlossen. Nun aber ist Kristersson mit Hilfe der Schwedendemokraten an die Macht gekommen. Als Gegenleistung werden die Konservativen Forderungen der Schwedendemokraten erfüllen müssen.
Der große Aufschrei in der schwedischen Gesellschaft bleibt bisher aus. Expo-Chef Daniel Poohl sagt: "Die Schweden haben ihren Widerstand gegen die Schwedendemokraten aufgegeben, sie werden als normale Partei wahrgenommen. Man hat aufgehört zu verstehen, welche Gefahr damit einhergeht."
Quelle: AP
Die Partei hat vor allem ein Thema: Den Umbau der schwedischen Gesellschaft. Die Schwedendemokraten wollen die restriktivste Migrationspolitik der EU. Geduldete Zuwanderer sollen das Land verlassen. Homosexualität soll kein Grund mehr für Asyl sein.
Expo sagt: "Mit den Schwedendemokraten wird es in Schweden künftig weniger schwarze Haut geben." Darin bestehe eine wirkliche Veränderung der liberalen Gesellschaft, eine neue Ära in Schweden.
Expo sagt: "Mit den Schwedendemokraten wird es in Schweden künftig weniger schwarze Haut geben." Darin bestehe eine wirkliche Veränderung der liberalen Gesellschaft, eine neue Ära in Schweden.
Quelle: dpa
Wahrscheinlich nein. Für den angestrebten Nato-Beitritt Schwedens gibt es einen ziemlich großen Konsens. Die zuletzt regierenden Sozialdemokraten hatten das Thema vor der Wahl abgeräumt. Hinzu kommt: Außenpolitik ist den Schwedendemokraten nach Einschätzung von Expo-Chef Poohl nicht besonders wichtig.
Kristersson: Regieren als Drei-Parteien-Koalition
Auch Kristersson wird auf eine Minderheitsregierung setzen. Er will mit einer Drei-Parteien-Koalition regieren, die aus den Moderaten, Christdemokraten und Liberalen besteht und die im Parlament eng mit den Schwedendemokraten zusammenarbeitet. Ohne die Rechtspopulisten, die bei der Wahl ein Rekordergebnis einfuhren und erstmals zweitstärkste Kraft wurden, kommt die neue Regierungskoalition auf keine eigene Mehrheit.
Minderheitsregierungen sind in Skandinavien keine Seltenheit - auch Dänemark und Norwegen werden derzeit so regiert. Ein Novum ist jedoch, dass die schwedischen Rechtspopulisten als Unterstützerpartei an solch einer Konstellation aktiv beteiligt sein werden. Ihre Position verleiht ihnen auch in der Einwanderungspolitik großen Einfluss.
Quelle: dpa