Eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten in Stockholm wird immer wahrscheinlicher. Die Schwedendemokraten fühlen sich als Wahlsieger und reif für die Macht.
Es ist kurz vor der Wahl in Schweden am 9. September 2018. Ein Vorort von Stockholm. Wir sind nach einem Wahlkampftermin dort mit Jimmie Åkesson verabredet - der seit 2005 Parteivorsitzender der Sverigedemokraterna, der Schwedendemokraten (SD) ist. Jimmie Åkesson kritisiert damals die Migrationspolitik der Regierung, der Wahlkampf steht noch unter den Eindrücken der Flüchtlingskrise 2015. Schweden hatte damals im Verhältnis zur Bevölkerungszahl die meisten Menschen in Europa aufgenommen.
Rechtspopulisten wollen in die Regierung
Åkesson und seine rechtspopulistische Partei erreichen damals 15,5 Prozent der Wählerstimmen, ein deutliches Plus - bleiben aber politisch isoliert. Seit der Parlamentswahl 2010 sind die SD im schwedischen Reichstag vertreten.
Aktuell ist vieles anders, diesmal können die Rechtspopulisten auf eine Regierungsbeteiligung hoffen. Mit ihnen als zweitstärkste Kraft bei der jüngsten Wahl hätte der konservative Block in Schweden eine Mehrheit.
Am ehesten lassen sich die Schwedendemokraten mit dem Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in Frankreich vergleichen. Ähnlich wie der RN haben sich die SD von ihren rechtsextremen Wurzeln schon vor einem Jahrzehnt offiziell distanziert.
Parteichef: "Sozialkonservative Partei mit nationalistischer Ausrichtung"
Keine Frage, die Partei hat allen Beteuerungen zum Trotz rechtsextreme Wurzeln. Viele der Gründungsmitglieder waren Anfang der achtziger Jahre in der Bewegung BSS aktiv, die enge Kontakte mit der britischen National Front unterhielt. Wie diese trat die BSS für Rassismus ein und unterstützte die Apartheid in Südafrika.
Jimmie Åkesson hat sich von dieser Vorzeit seiner Partei wiederholt distanziert. Angeblich wurden rechtslastige Parteimitglieder ausgeschlossen, doch im vergangenen Wahlkampf wurde deutlich, dass die SD nach wie vor auch Wähler am ganz rechten Rand anspricht. Åkesson sieht seine Partei im Wandel, als "sozialkonservative Partei mit nationalistischer Ausrichtung" sind sie für viele Schweden wählbar, weil sie - neben ihrer Ablehnung von Einwanderung und Multikulturalismus - viele Kernfragen anderer Parteien übernommen haben.
SD wollen Ausgaben für Migranten kürzen
So treten die SD einerseits für Steuersenkungen ein, andererseits befürworten sie einen starken Wohlfahrtsstaat in der Tradition der schwedischen Sozialdemokratie. Allerdings sollte sich dieser auf Bürger beschränken, die in Schweden geboren sind. Sie lehnen - im Gegensatz zu konservativen und bürgerlichen Parteien - eine Privatisierung von Schulen, Gesundheitswesen und Pflege ab. Die Finanzierung soll dadurch erfolgen, dass Ausgaben für Flüchtlinge, Migranten und Integration radikal gekürzt werden.
Härtere Strafen zum Schutz der schwedischen Bürger - so soll vor allem die extreme Bandenkriminalität bekämpft werden. Das wollen auch die konservativen Moderaten, die nun, um einen Regierungswechsel herbeizuführen, ihre ablehnende Haltung gegenüber den Rechtspopulisten aufgegeben haben.
Andere Partei offen für Tolerierung
Schwierig werden Verhandlungen allemal. Schon vor den Reichstagswahlen forderten die SD Ministerposten für den Fall, dass es zu einer bürgerlichen Regierungsbildung kommt. Zwar lehnen die Konservativen, Liberalen und Christdemokraten eine Zusammenarbeit mit den SD nicht mehr ab, aber eine komplette Regierungsbeteiligung der SD wollen sie nicht, Tolerierung ja.
Auf kommunaler und regionaler Ebene sind die SD seit Jahren landesweit vertreten, haben jedoch kaum Führungspositionen übernommen. Kommunale Koalitionen unter ihrer Beteiligung sind vielerorts gescheitert. Nicht so in Sölvesborg in Südschweden. Bürgermeisterin ist dort Louise Erixon, ehemalige Lebensgefährtin von Åkesson. Zwar sind die Sozialdemokraten auch im Ort stärkste Kraft, gemeinsam mit den Moderaten wurde Erixon ins Amt gehievt. Ein Vorbild für ganz Schweden?
Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten könnten erstmals in Stockholm mitregieren, weil die bürgerlichen Parteien mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Ein Tabubruch: