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Sechs Monate Ukraine-Krieg : Russlands gescheiterter Blitzkrieg

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Sechs Monate Ukraine-Krieg - doch Russland konnte seine Kriegsziele trotz hoher Verluste nicht verwirklichen. Ein Rückblick auf ein halbes Jahr Krieg.

Genau vor sechs Monaten startet Russland seinen Großangriff auf die Ukraine. Mehr als 1.000 Zivilisten sind ihm bereits zum Opfer gefallen.

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Sechs Monate sind vergangen, seit Russland am 24. Februar 2022 seinen Großangriff auf die Ukraine startete. Das Datum, welches das halbjährige Bestehen des Krieges markiert, fällt zusammen mit dem Unabhängigkeitstag der Ukraine, der am 24. August abgehalten wird.

Im Rückblick auf die vergangenen sechs Monate lassen sich mehrere Kriegsphasen und eine Reihe von Wendepunkten ausmachen, die wichtige Entwicklungen in den Kämpfen markierten, ohne jedoch immer den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse entscheidend verändert zu haben. Da die verschiedenen Frontlinien eine unterschiedliche Dynamik aufwiesen, überschneiden sich die Phasen teilweise.

Phase 1: Russlands gescheiterter Blitzkrieg

In den ersten Tagen des Krieges war es Russland ernst mit der Überrumpelung der Ukraine. Soweit sich dies rekonstruieren lässt, war der Plan, Kiew bis zum Ende des vierten Tages der Angriffe einzunehmen, den größten Teil der politischen Führung der Ukraine gefangen zu nehmen oder zu töten und alle Kämpfe, einschließlich der Einnahme von Odessa, in etwa einer Woche ab dem 24. Februar zu beenden.

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Um den 27. und 28. Februar herum wurde jedoch deutlich, dass die Ukraine nicht zusammenbrechen würde. Kiew hielt Stand, und der Vormarsch der russischen Truppen konnte aufgehalten oder entscheidend verlangsamt werden.

Die Südfront bildete die Ausnahme. Hier brach die Verteidigung der Ukraine zusammen und es gelang den russischen Truppen, Cherson im Südwesten zu erreichen und Mariupol im Südosten zu umzingeln.

Phase 2: Die Schlacht um Kiew und die Rolle der Logistik

Nachdem die Blitzkriegspläne gescheitert waren, beabsichtigte der Kreml, Kiew einzukesseln und die Stadt systematisch zu belagern. Es gelang ihnen jedoch nicht, Tschernihiw nordöstlich von Kiew einzunehmen, was die Lieferung von Nachschub deutlich erschwerte, da die durch Tschernihiw verlaufende Eisenbahnlinie nicht genutzt werden konnten.

Die Ukraine startete am 22. März einen Gegenangriff und drängte die erschöpften und unterversorgten russischen Truppen nach und nach aus der Hauptstadt zurück. Am 29. März gab Russland offiziell bekannt, dass es seine Truppen aus Kiew in die Donbass-Region verlegt.

Die russische Darstellung gab vor, Kiew sei nur ein Nebenschauplatz gewesen, allerdings gilt es als sicher, dass die Einnahme der Hauptstadt das Ziel Nummer eins der gesamten russischen Invasion war.

Phase 3: Russland muss sich zurückziehen und weitere Kriegsziele aufgeben

Anfang März gelang es der Ukraine, die russische Offensive in den Außenbezirken von Mykolajiw zu stoppen und am 8. März die Stadt zu befreien. Die russischen Truppen wurden in Richtung Cherson zurückgedrängt, und die Frontlinie zwischen den beiden Städten stabilisierte sich.

Am 14. April gelang es der Ukraine, den Kreuzer Moskwa, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, mit Anti-Schiffsraketen zu versenken. Nach dem Untergang der Moskwa wurde klar, dass Russland aufgrund der Bedrohung durch Anti-Schiffs-Raketen vom Meer aus weder einen Angriff auf Odessa noch auf ein anderes Ziel riskieren würde. Diese Phase bedeutete das Ende der russischen Ambitionen, Odessa zu erreichen und die Ukraine vom Schwarzen Meer abzuschneiden.

Am 13. Mai konnten die ukrainischen Streitkräfte die russischen Truppen auch aus Charkiw zurückdrängen, wenngleich die Außenbezirke der Stadt in Reichweite der russischen Artillerie blieben.

Auch sechs Monate nach Kriegsbeginn steht die Millionenstadt Charkiw nach wie vor unter russischem Raketenbeschuss.

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Phase 4: Die Schlacht um den Donbass und die russische Feuerwalze

Nachdem Russland die Belagerung von Kiew aufgegeben hatte, konzentrierte es seine Streitkräfte auf die Einnahme des gesamten Donbass, das heißt auf die "Befreiung" der Gebiete, welche die beiden selbsternannten separatistischen Volksrepubliken in Donezk und Luhansk (DNR und LNR), für sich beanspruchen.

Anstatt erneut auf schnelles, blitzartiges Vorstoßen zu setzen, änderte Russland seine Taktik und vertraute in erster Linie auf seine überwältigende Artilleriekraft. Am 16. Mai endete die Schlacht um Mariupol mit einem russischen Sieg.

Die Stadt wurde fast vollständig zerstört und die Ukraine verlor endgültig die Kontrolle über ihre Küste am Asowschen Meer. Nachdem sie anderthalb Monate lang Widerstand geleistet hatte, fielen am 25. Juni auch Sjewjerodonezk und am 3. Juli Lyssytschansk. Damit ist die gesamte Region Luhansk in der Ukraine besetzt.

Phase 5: Operatives Patt

Seit Mitte Juli sind die Frontlinien weitgehend stabil - militärische Operationen versprechen wenig Landgewinne bei weiterhin hohen Verlusten auf beiden Seiten.

Die russische Offensive im Donbass läuft noch immer, aber ihr Vormarsch hat sich aufgrund von Personalengpässen erheblich verlangsamt.

In der Zwischenzeit gelang es der Ukraine, teilweise mit Hilfe der vom Westen erhaltenen Präzisionsartillerie mit großer Reichweite, der russischen Logistik, den Kommandopunkten und auch den Luftstreitkräften schmerzhafte Verluste zuzufügen.

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Allerdings hat auch die ukrainische Armee während der sechsmonatigen Kämpfe schwere Verluste erlitten, und die meisten ihrer erfahrensten Soldaten sitzen noch immer im Donbass fest. Daher ist es der Ukraine zwar gelungen, die russische Offensive weitgehend zu stoppen oder stark zu verlangsamen, aber sie ist noch nicht stark genug, um bedeutende Gebiete zurückzuerobern.

Moskaus Minimalziel bleibt: "Befreiung" der Region Donezk

Was die kommenden Phasen des Krieges anbelangt, so ist ein Ende der Kämpfe noch nicht in Sicht. Der Grund dafür ist, dass der Status quo für keine der beiden Seiten eine annehmbare Alternative darstellt. Weil es die Unabhängigkeit der separatistischen Volksrepubliken anerkannt hat, ist Russland politisch verpflichtet, die gesamte Region Donezk zu erobern ("zu befreien"). Allerdings kann dies aufgrund der stark befestigten ukrainischen Stellungen dort noch mehrere Monate dauern.

Seit Anfang August steht die Eroberung der restlichen Donezk-Region durch das russische Militär grundsätzlich in Frage, da der Mangel an ausgebildeten Infanteriekräften ein ernsthaftes Hindernis für die territorialen Ambitionen Putins darstellt. Dies könnte durch eine teilweise oder vollständige Mobilisierung in Russland überwunden werden. 

In der Region Donezk steigt zunehmend der Druck auf das ukrainische Militär. Auch rund um das Atomkraftwerk Saporischschja im von Russland besetzten Gebiet wird gekämpft.

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Ungeachtet dessen wird der Kreml weiterhin auf die "Befreiung" der gesamten Region Donezk drängen, da dies das Minimalziel Moskaus ist. Außerdem wird Russland versuchen, seine Gebietsgewinne in den Regionen Saporischschja und Cherson zu zementieren, indem es gefälschte "Referenden" über den Anschluss dieser Gebiete an die russische Föderation organisiert.

Ukraine kann Verlust von Territorium nicht hinnehmen

Die Ukraine wiederum kann den gegenwärtigen Status quo nicht als Grundlage für einen Waffenstillstand, geschweige denn für eine politische Lösung akzeptieren, da dies bedeuten würde, den Verlust von etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums hinzunehmen. Außerdem geht Kiew davon aus, dass ein Waffenstillstand Russland genügend Zeit geben würde, seine Streitkräfte neu aufzustellen, um danach erneut anzugreifen.

Zudem bildet die Ukraine mehr als zehntausend Soldaten aus und erhält weiterhin Lieferungen immer modernerer westlicher Waffen, so dass Kiew davon ausgeht, dass die Zeit für die ukrainische Armee arbeitet.

Seit knapp einem halben Jahr führt Russland Krieg in der Ukraine. Zum ukrainischen Unabhängigkeitstag werden verstärkte Angriffe befürchtet.

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Die Kämpfe werden wohl noch eine Weile anhalten

Daher werden die Kämpfe auch in den kommenden Monaten weitergehen. Der Beginn der heftigen Herbstregenfälle Ende Oktober/November, die die sogenannte "rasputitsa" (Weglosigkeit) markieren, werden die Bodenoperationen verlangsamen, aber die Kämpfe nicht völlig beenden.

Wenn es nicht zu einer strategischen Überraschung kommt, könnte der Krieg noch mindestens ein halbes Jahr, möglicherweise aber auch länger andauern.

Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

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