Innenminister Seehofer rät seinem polnischen Kollegen, an der Grenze zu Belarus auf Frontex-Hilfe zurückzugreifen. Die Debatte um Grenzkontrollen geht auch in Deutschland weiter.
An der EU-Außengrenze von Polen und Belarus nimmt der Druck durch Migranten weiter zu. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat seinen polnischen Amtskollegen deshalb in einem Brief gebeten, auf die Unterstützung der EU-Grenzsicherungseinheit Frontex zurückzugreifen.
In dem Schreiben an Polens Innenminister Mariusz Kaminski, das ZDFheute vorliegt, heißt es:
Das lehnt Polen bislang ab. Entlang der Grenze zu Belarus hat die polnische Regierung derzeit den Ausnahmezustand verhängt. Journalisten und unabhängige Beobachter dürfen nicht in die Sperrzone. Es steht der Verdacht im Raum, dass Polen Migranten illegal an der Grenze zurückweist, so genannte Pushbacks betreibt, statt ihnen ein Asylverfahren zu ermöglichen.
Belarus soll Migranten systematisch durchschleusen
An der polnischen EU-Außengrenze zu Belarus treffen seit Monaten Migranten ein, dorthin geschleust von Belarus, so der Vorwurf. Die Menschen sollen unter anderem aus dem Irak und aus Afghanistan kommen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko am Sonntag unverhohlen den "Chef eines staatlichen Schleuserrings".
Belarus will so den Druck auf die EU erhöhen, um Sanktionen zurückzunehmen oder sich zumindest dafür zu rächen, so der Verdacht. Menschen werden als politisches Druckmittel missbraucht. Unterkühlt und ausgehungert landen sie in polnischen Wäldern, wie ein Bericht von ZDF-Korrespondentin Natalie Steger zeigt [im Video]:
Polen macht die Grenze dicht und lässt keine Hilfsorganisationen und Journalisten zu den Migranten. In Warschau gab es dagegen am Wochenende Proteste.
Debatte um Kontrollen an deutsch-polnischer Grenze
Einige der Migrantinnen und Migranten schaffen es auch bis an die deutsch-polnische Grenze. Seit August sind rund 5.370 über die Belarus-Route illegal eingereist, so die Bundespolizei gegenüber ZDFheute. Das heißt: Die Menschen haben etwa einen Stempel von belarussischen Behörden in ihrem Pass.
Am Mittwoch will Horst Seehofer im Bundeskabinett beraten, was die nächsten Schritte sein könnten. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten, wie man die Bundespolizei in dieser Druck-Situation einsetzen könnte:
- Verstärkte Schleierfahndung - die Bundespolizei führt häufigere, stichprobenartige Kontrollen im Grenzgebiet durch.
- Temporäre, stationäre Grenzkontrollen - etwa an Brücken. Dort stehen dann Bundespolizisten und kontrollieren systematisch. Das müsste bei der EU angemeldet werden und dauert maximal sechs Monate, kann aber verlängert werden. Solche Kontrollen gibt es seit rund sechs Jahren an der deutsch-österreichischen Grenze.
Polizeigewerkschaften streiten: Grenzkontrollen als "letztes Mittel"?
Die Polizeigewerkschaften sind bei dem Thema uneins. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), für harte Forderungen bekannt, appellierte in einem Brief an Seehofer, temporäre Grenzkontrollen einzuführen. Das berichtete die "Bild-Zeitung". Die DPolG warnte vor einem "Kollaps" an den Grenzen wie 2015.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen spricht sich für eine verstärkte Schleierfahndung aus - und findet Vergleiche mit der Flüchtlingskrise schon wegen der Anzahl der Migranten nicht passend.
Verstärkte Kontrollen seien derzeit absolut ausreichend, so Roßkopf. "Stationäre Grenzkontrollen würden signalisieren: Wir schotten uns ab. Das aber sollte wirklich das letzte Mittel sein. Wir würden auch den kompletten Pendler-, Liefer- und Tourismus-Verkehr lähmen."
Innenministerium schlägt deutsch-polnische Streifen vor
Das Innenministerium von Seehofer scheint auch selbst gegen die stationären Grenzkontrollen zu tendieren. In dem Schreiben nach Polen schlägt Seehofer stattdessen vor:
Sollte sich das Kabinett am Mittwoch für temporäre Grenzkontrollen aussprechen, wäre das ein sehr weitreichender Schritt - angesichts der Ampel-Verhandlungen dürften alle Seiten bemüht sein, eine solche Entscheidung der nächsten Regierung zu überlassen.