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Perspektivsuche auf dem Balkan : "Serbiens Präsident vollzieht Drahtseilakt"

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Aleksandar Vucic will in die EU und pflegt gleichzeitig enge Beziehungen zu Russland und China. Er steht vor schwierigen Entscheidungen. Wohin führt er Serbien? Eine Analyse.

Aleksandar Vucic
Aleksandar Vucic am Wahlabend 2022.
Quelle: epa

Im Dezember 2009 stellte Serbien seinen Antrag auf Mitgliedschaft bei der Europäischen Union (EU). Seit Januar 2014 verhandeln Belgrad und Brüssel und Serbiens am Sonntag wiedergewählter Präsident Aleksandar Vucic sagte wiederholt: "Ohne die EU können wir nicht überleben."

Serbiens Präsident setzt auf EU-Finanzhilfen

"Vucic möchte vor allem wegen der Finanzen gern in die EU, das ist sein erklärtes Hauptziel", sagt der Südosteuropa-Experte Franz-Lothar Altmann im ZDFheute-Gespräch. "Gelänge dies, bekäme Serbien in etwa achtmal so viel finanzielle Unterstützung als bisher", rechnet Altmann vor.

Rund 1,5 Milliarden Euro hat Belgrad zwischen 2014 und 2020 aus Brüssel überwiesen bekommen. Mit einer EU-Mitgliedschaft hätten es fast zwölf Milliarden Euro sein können.

Vucic, ein Drahtseiltänzer und Rosinenpicker

Serbien braucht aber noch mehr Hilfe und auch deshalb verwehrt sich Vucic dagegen, die guten Kontakte "zu traditionellen Freunden" zu gefährden. Das gilt vor allem mit Blick auf Russland, das günstiges Erdöl und Gas liefert, während China Kredite bereitstellt.

Vucic vollführe zwischen den Pfeilern EU, Russland und China einen "geschickten Drahtseilakt", während die USA verlässlich als Feindbild dienten, erklärt Altmann.

Vucic versucht von allen Seiten die Rosinen herauszupicken und hat bislang viel Erfolg gehabt.
Franz-Lothar Altmann, Südosteuropa-Experte, Uni Bukarest

Der serbische Präsident, der das Land zunehmend autokratisch beherrscht, wolle seine Außenpolitik auch in seiner zweiten, im Mai beginnenden Amtszeit in bewährter Art fortsetzen, ist sich Altmann sicher.

EU vor neuen Herausforderungen auf dem Balkan

Die EU stellt das vor neue Herausforderungen. Einerseits möchte sie verhindern, dass insbesondere Russland seinen Einfluss auf Serbien und andere Balkanstaaten weiter ausbaut. Vor allem, weil sie Putins auf Spaltung setzende Politik fürchtet.

Andererseits muss die EU Vucic etwas bieten – und ihn gleichzeitig dazu bringen, das Land zu demokratisieren, in dem Medienfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus immer stärker eingeschränkt worden sind.

Serbiens Nachbarländer mit Vorbildfunktion

Ein Hebel könnte sein, dass Brüssel zunächst Serbiens Nachbarländer stärker fördert. "Die EU muss zunächst Länder wie Montenegro, Nordmazedonien und Albanien, die aus EU-Sicht gefestigter und demokratischer sind als Serbien, stärker unterstützen", sagt Altmann.

Dies wäre auch ein wichtiges Signal an Serbien. Nach dem Motto: "Seht her, wir helfen Ländern, die auf dem richtigen Weg sind."

Deutschland will Balkanländern EU-Perspektive geben

Nach den Worten Manuel Sarrazins, des neuen Sondergesandten der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans, will Deutschland den EU-Beitritt der sechs Balkanstaaten Serbien, Montenegro, Kosovo, Nordmazedonien, Albanien sowie Bosnien-Herzegowina unterstützen.

"Eine wirkliche Perspektive wäre für all diese Länder sehr wichtig", sagt eine deutsche Diplomatin mit langjähriger Balkanerfahrung, die namentlich nicht erwähnt werden möchte. "Die aktuelle Perspektivlosigkeit wirkt wie Gift. Die Menschen brauchen einen Funken Hoffnung in einer Situation, in der es in der Region sehr brodelt."

Nationalismus als Gefahr für Bosnien-Herzegowina

"Brandgefährlich" sei vor allem das nationalistische Getöse Milorad Dodiks, des serbischen Mitglieds im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina. So sieht es auch der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, der inzwischen als Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen in Sarajevo tätig ist. 

"Dodik kämpft seit längerem für die Unabhängigkeit der Republika Srpska, gegen EU und Nato", sagt Franz-Lothar Altmann. Er gehe "zwar nicht unbedingt von kriegerischen Auseinandersetzungen" aus, "aber ein Zerfall von Bosnien-Herzegowina würde für eine Destabilisierung des Balkans sorgen", so Altmann.

Eine Frage der Prioritäten

Um das erneute Aufbrechen alter Konflikte auf dem Balkan zu verhindern, komme Serbiens Präsident eine Schlüsselrolle zu. Vucic wisse, dass er den Anschluss der Republika Srpska an Serbien nicht offen unterstützen könne, wenn Serbien in die EU wolle.

Schließlich würde die EU sich "so einen Kandidaten nicht ins Haus holen, der solche Konflikte mit hereinträgt", sagt Altmann. Bliebe Vucic bei seinen EU-Prioritäten, könnte das helfen, den Frieden auf dem Balkan zu sichern.

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