Präsident Selenskyj will nicht mehr auf einen schnellen Nato-Beitritt beharren. Zusätzlich stellt sein Berater eine mögliche Ukraine-Neutralität in den Raum - unter Bedingungen.
Die Ukraine dringt nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht länger auf eine Nato-Mitgliedschaft. Er habe seine Haltung zu dieser Frage "schon vor einiger Zeit abgemildert", da die Nato offenbar nicht bereit sei, "die Ukraine zu akzeptieren", sagte Selenskyj in einem am Montagabend ausgestrahlten Interview des US-Senders ABC.
Außerdem schließt die Ukraine nicht aus, in Verhandlungen mit Russland auch über eine mögliche Neutralität des Landes zu sprechen. Der außenpolitische Berater von Selenskyj, Ihor Tschowka, zeigte sich gesprächsbereit. "Solche Fragen ließen sich in Verhandlungen diskutieren, das ist durchaus möglich", sagte er am Dienstagabend den ARD-"Tagesthemen". Dennoch schränkte er ein:
Ukraine schließt Debatte über neutralen Status nicht aus
Nur durch ein Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Selenskyj seien ernsthafte Verhandlungen über eine Neutralität der Ukraine möglich, betonte Selenskyjs Berater Tschowka. Selenskyj sei dazu bereit. Leider bestehe auf russischer Seite dazu keine Bereitschaft.
"Wir brauchen deshalb strikte Garantien, damit eine solche Situation nie wieder eintreten kann", fügte er hinzu. "Wir sind ja nicht die Aggressoren, wir werden nie die Angreifer sein." Am Donnerstag wollen sich der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba und sein russischer Kollege Sergej Lawrow im türkischen Antalya treffen.
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Selenskyj zeigt sich kompromissbereit
Als weiteres Zugeständnis an Moskau erklärte er sich zu einem "Kompromiss" über den Status der Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine und der Krim bereit.
Im US-Sender ABC machte Selenskyj zugleich deutlich, dass er nicht auf Forderungen aus Moskau eingehen werde, die Unabhängigkeit der selbst ernannten "Volksrepubliken" sowie die russische Herrschaft über die Krim anzuerkennen.
Weiter sagte der ukrainische Präsident: "Wir können diskutieren und einen Kompromiss finden, wie diese Gebiete weitermachen können." Wichtig sei, darauf zu achten, wie es den Menschen dort ergehe, die Teil der Ukraine sein wollten. Es handle sich um eine viel kompliziertere Frage als nur um eine Anerkennung. "Dies ist ein weiteres Ultimatum, und wir erkennen keine Ultimaten an."
Selenskyj fordert direkte Gespräche mit Putin
Selenskyj forderte erneut den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu direkten Verhandlungen auf.
Selenskyj räumte ein, dass Russland die Lufthoheit über der Ukraine habe. Er forderte erneut eine Flugverbotszone. Es gehe darum, Raketenbeschuss auf zivile Einrichtungen zu verhindern.
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Partei fordert Sicherheitsgarantien statt Nato-Beitritt
Mit Blick auf die Nato gab sich Selenskjy enttäuscht. Das Bündnis sei nicht bereit, die Ukraine als Mitglied zu akzeptieren. "Die Allianz hat Angst vor kontroversen Fragen und einer Auseinandersetzung mit Russland."
Er deutete an, auf einen Beitritt zu verzichten. Die Ukraine sei kein Land, das auf den Knien um etwas bettele. Seit einer Verfassungsänderung 2019 ist der Nato-Beitritt das erklärte Ziel der ehemaligen Sowjetrepublik.
Selenskyj-Partei: Über konkrete Garantien sprechen
Selenskyjs Partei hat sich auch schon bereit gezeigt, im Gegenzug für Sicherheitsgarantien ihr Ziel eines Nato-Beitritts aufzuschieben. "Die Allianz ist nicht bereit, die Ukraine im Verlauf der nächsten mindestens 15 Jahre aufzunehmen und hat dies deutlich gemacht", teilte die Partei Sluha Narodu (Diener des Volkes) mit.
Daher sei es an der Zeit, bis zur Aufnahme in die Nato über konkrete Garantien zu sprechen.
Zudem müsse Russland zweifelsfrei bestätigen, dass es die ukrainische Staatlichkeit anerkenne "und garantiert, dass es unseren Staat nicht bedrohen wird".
Seit 2019 ist das Ziel des Nato-Beitritts in der ukrainischen Verfassung festgelegt. Russland fordert, dass die Ukraine darauf verzichtet und sich für neutral erklärt.
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