Nach zwei Jahren Corona-Pause darf jetzt wieder geböllert werden. Manche sind dennoch dagegen. Ein Überblick über Argumente von Medizinern, Umweltschützern und der Feuerwehr.
Pünktlich zum Jahreswechsel entzündet sich auch in diesem Jahr wieder einmal die Debatte um ein mögliches Böllerverbot. Was in den letzten beiden Corona-Wintern verboten war, soll in diesem Jahr wieder stattfinden: Freude auf der einen Seite, Unverständnis auf der anderen.
Was gilt in diesem Jahr?
Gesetzlich ist der Verkauf von Silvester-Feuerwerk in Deutschland in den drei letzten verkaufsoffenen Tagen vor Jahresende gestattet.
Anders als in den beiden letzten Jahren gibt es in dieser Silvesternacht kein generelles Böllerverbot oder Versammlungseinschränkungen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede.
Wie und wo geböllert werden darf, entscheiden die Kommunen - so könne ortsgebundene Verbote verhängt werden. "Wenn Sie beispielsweise einen historischen Stadtkern haben, der mit Fachwerk oder Holz bebaut ist", erklärt Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
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Ein genereller Trend zu mehr Verbotszonen in den letzten Jahren sei nicht zu erkennen, erklärt Handschuh, gleichwohl rückten Aspekte des Tier- und Umweltschutzes mehr und mehr in den Fokus der Städte und Gemeinden.
Wie hoch ist die Zahl der Verletzungen an Silvester?
Teilweise schwere Verletzungen, meistens an Händen, dem Kopf oder der Brust gebe es in jedem Jahr, erklärt Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), in den letzten zwei Jahren war dies allerdings deutlich seltener der Fall.
Die Silvesternacht auf 2022 verlief ruhig. Auch eine aktuelle Auswertung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kommt zu dem Ergebnis, dass im Silvester-Jahr 2020/21 die Zahl der durch Feuerwerk Verletzten in den Krankenhäusern um rund zwei Drittel gesunken sei. Dies lag wohl zum einen am generellen Böllerverbot, zum anderen aber auch an den eingeschränkten Möglichkeiten zusammenzukommen und zu feiern.
Wie ist die Lage in der Intensivmedizin?
Anders als in den beiden letzten Wintern spielt Corona nicht mehr die erste Geige auf deutschen Intensivstationen, die Situation ist dennoch schwierig. Es sind nicht etwa die Intensivbetten, die knapp werden in Deutschland, sondern das Personal, um sie zu betreiben.
Das liege vor allem am hohen Krankenstand bei den Mitarbeitenden, Marx kann sich an keine vergleichbare Situation der letzten Jahre erinnern.
- Ärztechef: Spendenfeuerwerk statt Knallerei
Ärztepräsident Reinhardt fordert ein dauerhaftes Böllerverbot. Die "Knallerei" passe nicht mehr in die Zeit und berge erhebliche gesundheitliche Gefahren, sagt Reinhardt.
Auch der Deutsche Feuerwehrverband spricht von der Silvesternacht als arbeitsintensivste Nacht im ganzen Jahr und appelliert gerade in Großstädten, den Rettungsdienst nach Möglichkeit zu entlasten. Eine Entlastung in den Kliniken schafft man durch die Tatsache, dass zwischen Weihnachten und Neujahr in der Regel keine elektiven - also planbaren - Eingriffe stattfinden.
Wie wirkt sich das Silvesterfeuerwerk auf Tier- und Umwelt aus?
Laut Umweltbundesamt werden rund 2.050 Tonnen Feinstaub (PM10) pro Jahr durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt (Corona-Jahre ausgeschlossen). Einen Großteil, nämlich 75 Prozent, führt das Amt auf die Silvesternacht zurück.
Die 2.050 Tonnen wiederum entsprechen knapp einem Prozent der insgesamt in Deutschland freigesetzten PM10-Feinstaubmenge pro Jahr. Zum Vergleich: Verbrennungsvorgänge und Abriebemissionen - also Verkehr - machen in etwa 35 Prozent aus.
Neben Feinstaub warnen Umweltschützer außerdem immer wieder vor der Lärmbelästigung durch Feuerwerkskörper sowie dem anfallenden Müll. Der Appell des Umweltbundesamts lautet daher in diesem Jahr:
Auch im Kleinen können Probleme entstehen, denn ein Jeder kennt wohl mindestens eine Person, deren Haustier an Silvester mit Angstzuständen und Panik auf die Knallerei reagiert.
Was erwartet die Feuerwerksindustrie in diesem Jahr?
Die letzten beiden Jahre waren auch für diese Branche alles andere als leicht. Ohne den Silvester-Umsatz fehle "die existenzielle Basis", erklärt Klaus Gotzen, Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI).
Man freue sich auf ein "farbenfrohes Fest" in diesem Jahr und gehe nach den beiden Pleite-Jahren von einem "normalen Verkauf" aus.
Würden sich alle an ein Böllerverbot halten?
Für Felix Martens, vom "Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk", dessen Hauptzweck nicht in der Förderung von Feuerwerk als Wirtschaftszweig, sondern als Kulturpraktik liegt, markiert ein Feuerwerk immer etwas Besonderes, einen Neuanfang - außerdem entstehe ein Gefühl von Gemeinschaft.
Niederländische und deutsche Polizisten haben im Münsterland Hunderte Tonnen Pyrotechnik beschlagnahmt. Die Großrazzia war offenbar monatelang vorbereitet worden.
Hinzu komme, erklärt er, "Feuerwerkskörper, die in Deutschland auf den Markt kommen, sind sehr streng kontrolliert". Ein Verbot könnte dazu führen, dass weitaus gefährlichere Feuerwerkskörper aus dem Ausland importiert werden.
Nicht wenige Argumente sprechen für eine Verbot von Feuerwerkskörpern an Silvester, ein generelles Verbot lehnt allerdings auch DIVI-Präsident Marx ab: