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Kommentar

Nach Silvesterkrawallen : Soziale Probleme statt Migration bekämpfen

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Statt rassistischer Parolen nach der Silvesternacht braucht es bessere Soziale Arbeit und mehr Teilhabe bei der Integration. Das fordert der Politikwissenschaftler Keskinkılıç.

Die Aufarbeitung der Krawalle in der Silvesternacht läuft. In der Stadt seien gezielt Barrikaden errichtet wurden, um Einsatzkräfte anzugreifen, so die Berliner Feuerwehr.

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Kaum hat das Jahr begonnen, schon sind wir in die nächste Integrationsdebatte geschlittert. Hinter den Silvesterkrawallen, der Gewalt und den Angriffen auf Polizei und Feuerwehr werden schließlich junge Männer und Jugendliche mit Migrationshintergrund vermutet.

In Berlin zählt die Polizei bereits Nationalitäten. Unter den 145 festgenommenen Tatverdächtigen gab es neben 45 deutschen Staatsangehörigen - nach deren Vornamen die CDU-Fraktion nun im Innenausschuss fragt - auch 27 Menschen aus Afghanistan, 21 aus Syrien und 9 aus dem Irak.

Keine Frage der Nationalität

Schon spricht Jens Spahn (CDU) von "gescheiterter Integration" und schimpft auf "ungeregelte Migration". Der Parteikollege Falko Liecke beklagt eine "komplette Parallelgesellschaft" in Berlin-Neukölln, während CDU-Innenexperte Christoph de Vries über die Rolle des Phänotypus "westasiatisch, dunklerer Hauttyp" sprechen will.

So ein Vokabular ist entlarvend und lässt erschaudern. Warum auch der Bevölkerung die Lust am Feuerwerk nehmen, wenn es einfacher geht - die Ausländer sind schuld.

Nach den Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte fordert der Psychologe und Autor Ahmad Mansour eine bundesweite Integrationsdebatte. "Wir müssen diese Menschen erreichen, bevor sie Rettungskräfte und Polizisten angreifen", so Mansour.

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Haben wir aus den vergangenen Jahren wirklich gar nichts gelernt? Nationalität, Religion oder Hautfarbe erklären keine Straftaten. Eine solche Rhetorik ethnisiert Kriminalität. Zudem wird unterschlagen, dass es unter den Opfern und Leidtragenden ebenso Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund gibt.

Nicht Migration bekämpfen, sondern soziale Probleme

Wer jetzt die Schuld bei Geflüchteten und Migrant*innen sucht, lenkt von strukturellen Problemen ab. Es geht nicht darum, Gewalttaten schön zu reden. Was in der Silvesternacht geschehen ist - die brutalen Angriffe auf Rettungskräfte, die fürchterliche Zerstörung - das ist nicht zu rechtfertigen. Nur hilft das Gerede über "gewaltbereite Integrationsverweigerer" (Nancy Faeser, SPD) und "kulturelle Überfremdung" (Katja Adler, FPD) uns nicht weiter.

Selbst mit schnellen, strafrechtlichen Konsequenzen, wie sie jetzt gefordert werden, wird sich langfristig nicht viel ändern. Nicht die Migration, schon gar nicht "die" Migranten, sondern eine verfehlte Sozialpolitik ist das Problem.

Auch der Staat muss Verantwortung übernehmen, statt einseitig Respekt von Menschen zu erwarten, für deren Lebensrealitäten er sich recht wenig interessiert.

Wie sich Wut und Enttäuschung entladen

Um sich ein umfangreiches Bild der Lage zu machen, müssen verschiedene Faktoren in den Blick genommen werden, die zusammenwirken können. Neben toxischen Männlichkeitsvorstellungen unter Jugendlichen und den Auswirkungen der Corona-Pandemie, die ohnehin marginalisierte Gruppen besonders hart getroffen hat, können Frustration und Enttäuschung schnell in derartige Gruppendynamiken hinein wirken.

So kann sich gar Wut auf Gesellschaft und Politik entladen. Das Gefühl von Ohnmacht, die fehlende Anerkennung und der Eindruck, dass das eigene Leben nicht zählt, finden dadurch ein Ventil.

Politiker sprechen von einer "neuen Dimension" bezüglich der Gewalt gegen Einsatzkräfte. Und noch immer stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich für die Silvester-Krawalle?

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Statt diese Jugendlichen nun in ihrem Gefühl zu bestärken, dass sie nicht dazugehören, müssen die Perspektivlosigkeit, die Vernachlässigung und die schwierigen Lebensumstände - gerade für jene mit Fluchterfahrung - zum eigentlichen Thema werden.

Die Diskussion um die Silvesternacht kann zudem nicht geführt werden, ohne auch über Racial Profiling, Ausschluss und Diskriminierung zu sprechen.

Gerade im Berliner Bezirk Neukölln, der jetzt wieder im Visier der Kritik steht, klagen Anwohner und Gewerbetreibende - abgesehen von rechten Anschlägen - auch immer wieder über verdachtsunabhängige Kontrollen und empfinden Razzien durch Polizeikräfte als unverhältnismäßig und als Schikane.

Communityorientierte Soziale Arbeit und mehr Teilhabe nötig

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) plant einen Gipfel gegen Jugendgewalt, er hätte auch Gipfel für eine communityorientierte Soziale Arbeit heißen können. Wir brauchen eine Jugendarbeit, die auf die unmittelbaren Lebensrealitäten und Erfahrungen benachteiligter Jugendlicher zugeschnitten ist.

Es fehlt eine gerechtere Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die die Bedürfnisse von Geflüchteten, von Migranten, schwarzen Menschen und People of Color berücksichtigt, auch sie haben Erwartungen an den Staat.

Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht will Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zu einem Gipfel gegen Jugendgewalt einladen. "Wir sehen, dass es komplexe Problemlagen gibt", so Giffey.

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Welche Zukunftsperspektiven werden ihnen geboten? Welche Schritte braucht es, um die fehlende Chancengleichheit und die strukturelle Benachteiligung im Bildungssektor, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt zu überwinden? Wie können Menschen vor Rassismus geschützt und der Zugang zu mehr Teilhabe in der Gesellschaft gestärkt werden? Das sind Fragen, die jetzt gestellt werden müssen.

Eine Frage der Perspektive

Die Debatte um die kulturelle Herkunft der Strafverdächtigen verdeckt strukturelle Problemlagen: Ressourcen sind ungleich verteilt, migrantische Stadtviertel sozial benachteiligt, Schulen unterfinanziert, es fehlt an Lehrpersonal, das zudem für die Anforderungen unserer vielfältigen Gesellschaft ausgebildet ist.

Pauschalurteile und Misstrauen helfen nicht weiter, schon gar nicht, ganze Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren. Statt von einem Migrations- oder Integrationsproblem zu sprechen, das bestimmte Gruppen als Fehler ins Visier nimmt, können die politischen und sozialen Bedingungen, die zu Problemlagen führen, in den Blick genommen werden.

Es kommt auf die Perspektive an. Wenn wir das verstehen, dann wird diese und hoffentlich auch die nächste Debatte anders verlaufen.

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