Die Parlamentswahl in Slowenien ist auch für Deutschland wichtig. Denn wie derzeit in Frankreich geht es auch in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana um die Zukunft der EU.
Wenn man die Slowenen heute fragt, was sich dringend ändern muss, dann sagen sie: die Warteschlangen beim Arzt. Zwei Jahre dauert es, bis manche ihren Orthopäden-Termin bekommen, seufzt Dr. Alojz Ihan vom Uni-Klinikum Ljubljana.
Er ist ein hochangesehener Mediziner, mit einer populären Zeitungskolumne.
"Die Leute zahlen für die gesetzliche Krankenversicherung. Aber damit es schnell geht, zahlen sie privat noch drauf," ergänzt Ihan.
Der rechtspopulistische Ministerpräsident Janez Jansa stellt sich zur Wahl. Newcomer Robert Golob, der Kandidat der Opposition, hat derzeit guten Chancen.
Bisher hat das noch keine Regierung in Griff bekommen, auch nicht die des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Janez Jansa. Er kam an die Macht, weil die linksliberale Regierung seines Vorgängers zerfiel.
Vorwurf der Günstlingswirtschaft und Behinderung von Medien
Seit Jansa regiert, erkennen viele Slowenen ihr Land nicht wieder. Was ihm viele besonders übelnehmen, ist die enge Verbindung mit Viktor Orban. Selbst konservative Wähler sind abgestoßen von Jansas Günstlingswirtschaft und seinem politischen Benehmen: die Versuche, unliebsame Medien und NGOs zu behindern und mundtot zu machen, seine Attacken und Beleidigungen auf Twitter.
Die Sorge vor einer "Orbanisierung" Sloweniens mobilisiert die Opposition, und da vor allem junge Leute. Nika Kovac ist besonders aktiv. Die Soziologin ist Stipendiatin der Obama-Stiftung - und wenn sie in Ljubljana ans Mikro eilt, wird die Regierung nervös.
Organisationen versuchen Slowenen zum Wählen zu bewegen
2021 hat sie mit einem Referendum mehr Naturschutz in Slowenien durchgesetzt: Knapp 700.000 Menschen haben ihre Position unterstützt, ein Drittel der Bevölkerung. Ihr nächstes Ziel: Jansa abwählen.
Gemeinsam mit 100 weiteren Organisationen versucht sie, die Slowenen zum Wählen zu bewegen. 2018 lag die Wahlbeteiligung nur bei 53 Prozent.
Wahl zwischen Rechtspopulismus und EU-Werten
Nun sind die Wahllokale schon seit Dienstag geöffnet - auch Staatspräsident Borut Pahor hat seine Stimme abgegeben. "Jede Stimme ist wichtig", sagt er dabei. Und: Diese Wahl sei eine strategische Abstimmung für Slowenien und Europa.
"Wir wollen ein neues Gesicht," sagen uns mehrere Leute am Wahllokal. Mit dem neuen Gesicht ist wohl Robert Golob gemeint. Ex-Manager der nationalen Energie-Gesellschaft und Polit-Neuling, der für grüne Energie steht und für EU-Werte.
Wahlsieg Jansas könnte Zukunft der EU gefährden
Laut Umfragen könnte seine Partei heute gewinnen. Auch für Deutschland ist die Wahl wichtig. Denn wie derzeit in Frankreich geht es auch in Ljubljana um die Zukunft der EU. Gegen Polen und Ungarn laufen Rechtstaatlichkeitsverfahren. Sollte Slowenien unter Jansa ebenfalls in diese Fraktion rutschen, wäre das eine schwere Hypothek für die Union.
Jansa hat im Wahlkampf versucht, seine Verbindungen zu Orban unsichtbar zu machen. Im Krieg stellt er sich auf die Seite von Nato und EU, besucht Selenskyj, unterstützt sogar Energie-Sanktionen.
Mitte März sprachen die Regierungschefs von Slowenien, Polen und Tschechien in Kiew mit Präsident Selenskyj. Polen hatte dabei eine bewaffnete "Friedensmission" der Nato gefordert.
In den Wahlkampfspots tauchen jetzt Angela Merkel, Emmanuel Macron und ausgerechnet Ursula von der Leyen auf, mit der er bei der EU-Ratspräsidentschaft noch öffentlich im Clinch lag. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber reiste an und trommelte für Jansa. Orban dagegen: fast nicht zu sehen.
Wirtschaftliche Erfolge könnten für Jansa den Ausschlag geben
Jansa kann ordentliche Wirtschaftsdaten vorweisen: Vor allem in ländlichen Gebieten spürt man höhere Budgets für die Kommunen, Corona-Hilfen und Tourismus-Gutscheine kamen bei vielen gut an. Ältere sehen im Ex-Kommunisten (der sich wie Orban politisch immer wieder häutete) noch einen Helden der Unabhängigkeit 1991.
Malerisch zwischen Alpen und Adria gelegen, ist Slowenien westwärts orientiert, eng mit Österreich, Deutschland und Italien vernetzt. Die meisten unterstützen eine liberale Demokratie. Deshalb wird dies auch keine Abstimmung nur über ökonomische Erfolge, sondern auch über politische Kultur und europäisches Selbstverständnis. Es könnte sein, dass Slowenien heute frischen Wind wählt statt einen alten Kämpfer.
Wolf-Christian Ulrich ist Korrespondent im ZDF-Studio Südosteuropa.