Ukraine-Krieg: Was über die Tunnel von Soledar bekannt ist

    "Unterirdische Städte"?:Was über die Tunnel von Soledar bekannt ist

    Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Den Kampf um Bachmut und Soledar führt Russland erbittert. Söldner-Chef Prigoschin hat den Vorstoß dort kürzlich mit Tunnelsystemen begründet. Was ist über die Tunnel bekannt?

    Tunnel einer Salzmine bei Soledar
    Tunnel einer Salzmine bei Soledar.
    Quelle: imago

    Seit Monaten versucht die russische Armee, den Ort Bachmut im Osten der Ukraine einzunehmen. Ohne Rücksicht auf Verluste, wie es scheint: Die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar sagte, die russischen Truppen rückten buchstäblich auf den Leichen der eigenen Soldaten vor, setzten massiv Artillerie, Raketenwerfer und Mörser ein und träfen dabei auch die eigenen Soldaten.
    Einige westliche Militärexperten zeigten sich in der Vergangenheit verwundert darüber, warum Russland so hohe Verluste in Kauf nimmt und auch darüber, warum die Ukraine sich nicht in andere nahe gelegene Verteidigungsstellungen zurückzieht.

    Wagner-Chef spricht von riesigen Tunnelsystemen

    Der Gründer der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat den erbitterten Vorstoß zur Einnahme der Kleinstadt kürzlich mit riesigen Tunnelsystemen dort begründet, in denen Truppen und Panzer Unterschlupf finden könnten.
    "Das Sahnehäubchen obendrauf ist das Minensystem von Soledar und Bachmut, das eigentlich ein Netz unterirdischer Städte ist", erklärte Prigoschin über Telegram.

    Es kann nicht nur eine große Gruppe von Menschen in einer Tiefe von 80 bis 100 Metern aufnehmen, sondern auch Panzer und Schützenpanzer können sich darin bewegen.

    Jewgeni Prigoschin

    Seit dem Ersten Weltkrieg würden in diesen Tunneln Waffen gelagert. Was ist über die Tunnel bekannt?

    Salzmine aus dem 19. Jahrhundert

    Die Tunnelsysteme gehören zur Salzmine von Soledar, ein ebenfalls kleiner, aber heftig umkämpfter Ort direkt neben Bachmut. Die Salzvorkommen in der Gegend sind sehr rein und werden bereits seit den 1870er Jahren abgebaut. Die Mine ist riesig. Etwa 200 Kilometer Tunnel erstrecken sich unter der Region bis in eine Tiefe von fast 300 Metern. Es gibt einige große Kammern, die jetzt zu Kriegszeiten als Lager genutzt werden könnten.
    Karte: Frontstädte Bachmut und Soledar

    Die spektakulärste ist laut dem Verein zur Geschichte der Industrie in Europa die Kammer 41: Sie ist 135 Meter lang, 17 Meter breit und 24 Meter hoch. Hier wurden bereits Fußballspiele ausgetragen und Sinfoniekonzerte gespielt, seit 2004 lud etwa das Philharmonische Orchester Donezk zur "Salzigen Symphonie" in die unterirdischen Hallen. Die Akustik in den Stollen muss beeindruckend sein. Für den österreichischen Komponisten Kurt Schmidt, der das erste Konzert leitete, gibt es nur wenige Theater auf der Welt, die mit der Akustik der Salzminen von Soledar mithalten können.

    Vor dem Krieg ein beliebtes Touristenziel

    Die Salzminen von Soledar waren vor dem Krieg ein beliebtes Touristenziel in der Ukraine - sogar aufgenommen im Geheimtipp-Reiseführer Lonely Planet.
    In bereits stillgelegten Tunneln der Mine wurden aus Salzblöcken Skulpturen, Bilder, Kapellen und Grotten erschaffen. Ausstellungen zeigten Bergbauwerkzeuge und blickten zurück auf die Kultur der Salzarbeiter. In einem Abschnitt des Bergwerks befand sich auch ein Sanatorium, das für die Behandlung von Lungenerkrankungen empfohlen wird.
    Nach dem Ausbruch des Krieges um den Donbass 2014 hat sich die Lage stark verändert. Die Philharmoniker sind in die Stadt Sewerodonezk umgezogen. Ausflüge in die Salzbergwerke wurden zuletzt im Februar 2022 beworben, kurz vor der Invasion der russischen Armee in die Ukraine.

    Warum ist Prigoschin so von den Dörfern besessen?

    Sollte Soledar von den russischen Truppen eingenommen werden, wäre das Russlands größter Gewinn seit August letzten Jahres. Seitdem war Putins Armee fast ausschließlich auf dem Rückzug.
    Für Prigoschin persönlich wäre das aus zwei Gründen ein riesiger Erfolg: Der 61-Jährige, der früher eher selten in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, spielt sich seit Beginn des Krieges immer öfter als der starke Macher in Russland auf, dessen Truppen mehr erreichen als die reguläre Armee. Diese Glaubwürdigkeit hängt nun stark an der Einnahme von Bachmut. Mit Fotos und Videoaufnahmen, die ihn in Kampfmontur in den Tunneln von Soldar zeigen sollen, versucht er dieses Bild zu unterstreichen. US-Kreise unterstellen ihm außerdem, er wolle aus kommerziellen Gründen die Kontrolle über die Salz- und Gipsminen in der Region übernehmen. 
    Ob die Salzminen auch militärisch eine so große Bedeutung haben und den Einsatz von so vielen Menschenleben rechtfertigen, bezweifeln Analysten: "Ich denke nicht, dass das Ergebnis von Bachmut so bedeutend ist im Vergleich zu dem, was es Russland kostet, es zu erreichen," schreibt der US-Sicherheitsexperte Michael Kofman. Der Sieg in Soledar käme für Russland zu einem sehr hohen Preis. Ähnlich sieht das auch Christian Mölling in seiner wöchentlichen Militäranalyse zum Ukrainekrieg.
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    Quelle: Mit Material von Reuters
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