Bei Regierungserklärungen im Bundestag schwingen oft andere Themen mit. Statt um Europa ging es diesmal um das Sondervermögen für die Bundeswehr. Und ein Bierzelt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versucht es mit einer Umarmung, einer verbalen: "Wir sind dazu in guten Gesprächen, auch mit Ihnen, lieber Herr Merz", sagte er bei seiner Regierungserklärung im Bundestag Richtung CDU/CSU. Die Bundeswehr besser auszustatten und dafür durch eine Grundgesetzänderung 100 Milliarden Euro für ein sogenanntes Sondervermögen bereitzustellen, sei ein Signal an Freunde und Verbündete. Man nehme die Beistandspflicht ernst, so Scholz.
Diese große Einigkeit ist allerdings mehr Wunsch als Realität. Tatsächlich haben sich beide Seiten verhakt.
Merz: Gespräche ja, aber keine guten
In mehreren Verhandlungsrunden haben Regierung und Opposition schon versucht, sich zu einigen. In dieser Woche wollte man über die Grundgesetzänderung abstimmen, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig ist. Doch der Punkt flog von der Tagesordnung. Und nun wird es zeitlich eng, vor der Sommerpause diese Milliarden-Finanzspritze für die Bundeswehr auf den Weg zu bringen.
Hauptproblem: Die Union möchte neben den 100 Milliarden Euro auch eine jährliche Investition von zwei Prozent des Bruttosozialproduktes in die Verteidigung festschreiben. So hatten sie Kanzler Scholz in seiner "Zeitenwende"-Rede Ende Februar nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine verstanden. Mittlerweile rückt die Ampel-Koalition aber davon ab: Die Grünen sind gegen das Zwei-Prozent-Ziel, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Union vor, sie blockiere die Verhandlungen mit Maximalforderungen.
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"Ja", sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Donnerstag, "wir sind in Gesprächen."
Streit um Antragstext
Für CDU/CSU gehörten die 100 Milliarden Euro und die zwei Prozent zusammen. Die Union, so Merz, sei "die einzige Fraktion", die Scholz darin unterstütze. "Den Widerspruch gibt es nicht von uns, den gibt es von Ihrer Regierungsfraktion." Zur ebenfalls geplanten Änderung des Beschaffungswesens für die Bundeswehr gebe es zudem bislang von der Regierung keinen Vorschlag.
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Tatsächlich scheint es mittlerweile viel mehr auch ums Kleingedruckte zu gehen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, die Union wolle die Formulierung "Stärkung der Bündnisfähigkeit" in der Grundgesetzänderung zum Sondervermögen streichen. "Was ist das für ein Signal an die Nato", so Dröge. "Sicherheit im 21. Jahrhundert denkt man nicht mehr national, sondern gemeinsam."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr legte dann noch mal nach: Alles, was Merz gesagt habe, sei im Grunde "eine Abrechnung" mit der eigenen Regierungszeit unter Kanzlerin Angela Merkel. Dürr hätte sich eine andere Rede von Merz gewünscht, "wenn man selbst 16 Jahre die Verantwortung für die Bundeswehr und die Soldatinnen und Soldaten in Deutschland getragen hat." Die Union selbst habe das Zwei-Prozent-Ziel in ihrer Regierungszeit nie in Haushaltsverhandlungen eingebracht, so Dürr.
Dröge: Merz hält Bierzelt-Reden
Wenn es um viel Geld, um Krieg und Frieden in Europa geht, scheint eben auch die Tonlage manchmal in Schieflage zu geraten. Dröge warf Merz vor, er würde seine Rede immer "wie im Bierzelt" beginnen. Dieser hatte Scholz zitiert, der sich über Kiew-Besuche im Stile von "Rein - Foto - raus“ mokiert hatte. Der Ton von Merz sei "nicht angemessen", so Dröge.
Merz ging aber auch inhaltlich in Konfrontation mit Scholz. Er forderte den Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht: Scholz solle sie "so schnell wie möglich" entlassen. "Sie werden es sowieso in den nächsten Wochen und Monaten machen müssen. Machen Sie es bald."
Beim Thema Waffenlieferungen warf er Scholz Spielchen vor, wenn er einerseits in seiner Regierungserklärung sage, Waffenlieferungen beförderten nicht die Eskalation des Krieges in der Ukraine, andererseits aber in Interviews davor warne. "Welche doppelten Spielchen werden in Ihrer Regierung gespielt?", fragte Merz.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag eine Regierungserklärung abgegeben. Russland dürfe den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen. Sehen Sie die Rede in voller Länge.
AfD und Linke kritisieren Baerbock
AfD und Linke arbeiteten sich in dieser Frage lieber bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ab. "Wer nach Kiew fährt, muss auch nach Moskau fahren", sagte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Und stellte für ihre Fraktion klar: "Der Krieg in der Ukraine ist nicht unser Krieg."
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali warf der Bundesregierung zu wenig diplomatische Anstrengung vor, den Krieg zu beenden. Es heiße immer, die Tür zur Diplomatie sei geschlossen. "Wie viele Klinken", fragte Mohamed Ali Richtung Baerbock, "haben Sie denn ernsthaft geputzt?" Die Aufrüstung der Bundeswehr werde nur einen Effekt haben: die "Steigerung des Aktienvermögens der Rüstungsunternehmen".
Drei Sitzungswochen bleiben bis zur Sommerpause des Parlaments, um die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr plus x auf den Weg zu bringen.