Bislang waren vor allem soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in den Schlagzeilen, wenn es um Fake News und Hetze ging. Nun gerät auch Spotify als Podcast-Anbieter ins Visier.
Während Facebook und Twitter längst genauer unter die Lupe genommen werden, gibt es in der Podcast-Branche nur wenige Regeln. Falschinformationen und Beleidigungen können über Audiodienste wie den Marktführer Spotify fast uneingeschränkt verbreitet werden.
Die öffentliche Empörung über den in den USA beliebten Podcaster Joe Rogan hat darüber eine Debatte entfacht. Die Rogan-Fans will der Streaming-Dienst aus Schweden ungern als Nutzer verlieren. Andererseits könnten die negativen Schlagzeilen darüber, dass Rogan Impfgegnern eine Stimme gibt und sich rassistisch äußert, andere Nutzer vergraulen.
Spotify: Reine Plattform oder Medien-Konzern?
Der Streit beleuchtet die Frage, was genau Spotify eigentlich ist. Handelt es sich nur um eine technologische Plattform ohne jeden Einfluss auf das, was andere über diese verbreiten? Oder ist das einstige Startup nicht längst ein Medien-Konzern, der mit aktiven Entscheidungen eine Art Programm anbietet?
Aus Sicht vieler Experten lässt sich eine gewisse Verantwortung für die Inhalte kaum leugnen. Zumal Spotify allein 100 Millionen Dollar investiert haben soll, um den Podcast "The Joe Rogan Experience" exklusiv anbieten zu dürfen. "Man kann es nicht in jeder Hinsicht so haben, wie man will", sagt Jennifer Grygiel von der Syracuse University dazu.
Spotifys Geschäftsmodell dreht sich längst nicht mehr nur um Musik, sondern auch um die Sammlung deiner persönlichen Daten. Es wird nicht nur gespeichert, was du hörst, sondern auch wann, wo und auf welchem Endgerät.
Neil Young entfernt seine Musik von Spotify
Ende Januar hatte Neil Young aus Protest gegen die Verbreitung des Rogan-Podcasts seine Songs von Spotify entfernt. Andere Künstler wie Joni Mitchell folgten seinem Beispiel. Am Montag legte Young nach und forderte alle Mitarbeiter des Streaming-Dienstes auf, das Unternehmen zu verlassen, "bevor es eure Seele auffrisst".
Spotify hat durchaus reagiert. Dutzende ältere Folgen von "The Joe Rogan Experience" sind inzwischen nicht mehr abrufbar. Unternehmenschef Daniel Ek sagte aber auch, dass es keine Lösung sei, Rogan komplett zum Schweigen zu bringen. In einem Schreiben an seine Mitarbeiter betonte er zudem, dass Spotify nicht der Herausgeber des Podcasts sei.
Laut eigenen Angaben blockiert das Unternehmen Podcasts, die gegen Richtlinien der Plattform oder gegen Gesetze verstoßen. Nach dem Boykott Youngs machte Spotify die eigenen Richtlinien erstmals öffentlich. Und es kündigte an, diese um Hinweise zu Inhalten mit Bezug zur Corona-Pandemie zu ergänzen.
Musikstreaming boomt. Zwar haben Plattformen wie Spotify die Piraterie in den Schatten gestellt, doch kämpfen vor allem unbekannte Musiker um Klickzahlen und fallen der Manipulation zum Opfer.
Podcast-Anbieter reagieren nur auf Schlagzeilen
Doch meist werden bei Anbietern wie Spotify nur dann einzelne Podcasts entfernt, wenn diese negative Schlagzeilen gemacht hatten. Dabei gingen die Akteure der Branche aber selten einheitlich vor.
Der amerikanische Verschwörungstheoretiker Alex Jones etwa kann nicht mehr über die Dienste von Apple, Spotify, YouTube und Facebook veröffentlichen - wohl aber über Google Podcasts. Steve Bannon, der einige Zeit der Chefstratege des ehemaligen Präsidenten Donald Trump war, wurde von Spotify, YouTube und Twitter blockiert, nachdem er zur Enthauptung des führenden US-Virologen Anthony Fauci aufgerufen hatte. Auf Apple Podcasts ist Bannon aber noch zu hören.
Podcasts schwer zu kontrollieren
Auch über Facebook, WhatsApp und Instagram erreichen falsche oder irreführende Informationen, etwa bezüglich der Corona-Pandemie, weiterhin Millionen Menschen. Der Mutterkonzern Meta tut inzwischen etwas, um solche Informationen und andere anstößige Inhalte aufzuspüren und zu entfernen oder zumindest zu kennzeichnen. Er setzt dabei auf Unterstützung von Journalisten, Wissenschaftlern und Tausenden Angestellten sowie auf Künstliche Intelligenz.
Podcasts seien schwerer zu kontrollieren, sagt die Daten-Analystin Valerie Wirtschafter vom Brookings Institute. Sie seien oft 20 Minuten oder auch mehrere Stunden lang und es gebe Millionen Folgen über alle möglichen Themen - von Massenmördern übers Kochen bis hin zur Politik. "Das ist eine unübersichtliche Welt."