Sri Lanka: Präsident geflohen - Premier übernimmt Amt

    Proteste in Sri Lanka:Präsident geflohen - Premier übernimmt Amt

    13.07.2022 | 11:26
    |

    Nach Massenprotesten hat sich Sri Lankas Präsident ins Ausland abgesetzt - nun übernimmt sein Premier vorübergehend die Amtgeschäfte. Doch die Proteste reißen nicht ab.

    Nach der Flucht von Präsident Gotabaya Rajapaksa ins Ausland ist sein Premierminister Ranil Wickremesinghe (73) vorübergehend zum neuen Staatschef Sri Lankas ernannt worden. Das teilte Parlamentspräsident Mahinda Yapa Abeywardena am Mittwoch in einer Erklärung im Fernsehen mit. Der bisherige Präsident habe den Schritt autorisiert.
    Stunden zuvor hatte sich Präsident Rajapaksa mit seiner Frau in einer Militärmaschine auf die Malediven abgesetzt, wie Behörden beider Länder bestätigten. Der 73-Jährige hatte inmitten der Proteste gegen die schwere Wirtschaftskrise am Wochenende ursprünglich angekündigt, am Mittwoch als Staatschef des südasiatischen Inselstaates zurücktreten zu wollen. Er hatte das Amt Ende 2019 angetreten.

    Demonstranten stürmen Büro des Ministerpräsidenten

    Die Nachricht von seiner Ausreise löste zwar Jubel unter den Demonstranten in Colombo aus. Sie protestierten aber dagegen, dass der Premier die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernimmt. Sie sehen ihn als Verbündeten des geflohenen Staatschefs und machen ihn ebenso für die Wirtschaftskrise verantwortlich.
    Ranil Wickremesinghe, aufgenommen am 11.06.2022 in Colombo (Sri Lanka)
    Regierungschef Ranil Wickremesinghe ist übergangsweise zum Präsidenten ernannt worden.
    Quelle: AP

    Die ordentliche Wahl des neuen Präsidenten unter den Abgeordneten des Parlaments ist für den 20. Juli vorgesehen. Bereits vor der offiziellen Mitteilung, dass Wickremesinghe nun an der Spitze des Staates steht, stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge den Amtssitz des Ministerpräsidenten. Die Polizei setzte Tränengas ein.

    Geh nach Hause, Ranil! Geh nach Haus, Gota!

    Demonstranten vor dem Amtssitz des Präsidenten

    Die Polizei verhängte am Mittwoch für Sri Lankas Westprovinz, zu der auch Colombo gehört, eine Ausgangssperre. Ein hochrangiger Polizeibeamter verwies zur Begründung auf fortdauernde Proteste vor dem Sitz des Ministerpräsidenten. Die Polizei habe den Befehl, gegen die Demonstranten vorzugehen.

    Präsident ins Ausland geflohen

    Bereits am Wochenende hatten Demonstranten Anwesen und Büro des Präsidenten und die offizielle Residenz von Premier Wickremesinghe in der Hauptstadt Colombo gestürmt.
    Bald machten Bilder die Runde, die Teilnehmer der Massenproteste beim Schwimmen im Pool und beim Ausruhen in den Gemächern des Präsidentenpalastes zeigten. Demonstranten zündeten auch das Privathaus von Wickremesinghe an.
    Protestierende schwimmen im Pool des Präsidenten.
    Protestierende schwimmen im Pool des Präsidenten.
    Quelle: AP

    Die Erstürmung der Amtsgebäude war der vorläufige Höhepunkt seit Monaten andauernder Proteste wegen Lebensmittel- und Treibstoffengpässen, die die Wirtschaftskrise mit sich gebracht haben.

    "Das Land ruiniert und unser Geld gestohlen"

    Auch am Mittwochmorgen strömten weiter Menschen in den Präsidentenpalast. Viele reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch von außerhalb der Hauptstadt an. "Was Rajapaksa getan hat - aus dem Land zu fliehen - ist eine ängstliche Tat", sagte der 24-jährige Student Bhasura Wickremesinghe, der mit Freunden kam.

    Ich feiere nicht. Es hat keinen Sinn zu feiern. Wir haben im Moment nichts in diesem Land.

    Student Bhasura Wickremesinghe

    "Ich bin nicht glücklich darüber, dass er geflohen ist", sagte ein Demonstrant, Malik D'Silva, der Nachrichtenagentur AP über Rajapaksa.

    Er sollte im Gefängnis sein.

    Malik D'Silva

    Rajapaksa habe "das Land ruiniert und unser Geld gestohlen". Demonstranten werfen ihm und seiner Familie vor, sich seit Jahren aus der Staatskasse zu bedienen.
    Amtierende Präsidenten genießen in Sri Lanka Schutz vor Verhaftung. Beobachter hielten es daher für möglich, dass Rajapaksa seine Flucht plante, solange ihm die Verfassung noch Immunität garantiert. Eine Anklage wegen Korruption gegen Rajapaksa in seiner früheren Funktion als Verteidigungsminister wurde wieder zurückgezogen, nachdem er 2019 zum Präsidenten gewählt wurde.

    Karte: Sri Lanka - Colombo
    Quelle: ZDF

    Korruption und Missmanagement haben zu einer immensen Schuldenlast für den Inselstaat Sri Lanka geführt, für Importe von Grundgütern fehlt das Geld. Angesichts der hohen Inflation, der Knappheit von Lebensmitteln und Treibstoff herrscht unter vielen der rund 22 Millionen Einwohner Sri Lankas große Verzweiflung. Viele lassen Mahlzeiten aus und stehen stundenlang an, um rares Benzin zu kaufen.

    Ehe sich die schlimmste Wirtschaftskrise in der jüngeren Geschichte des Landes vertiefte, waren der Wohlstand und die Mittelschicht stetig gewachsen. Nun steckt Sri Lanka auch noch in einer politischen Krise.

    Und Verzögerungen im Ringen um eine Einheitsregierung könnten erhoffte Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds blockieren. Zur Überbrückung ist das Land auf Unterstützung von Indien und China angewiesen.

    Quelle: AP

    Demonstranten stürmen Amtssitz
    :Präsident von Sri Lanka kündigt Rücktritt an

    Demonstranten in Sri Lanka haben den Amtssitz des Präsidenten Gotabaya Rajapaksa gestürmt. Daraufhin kündigten der Präsident und der Premierminister ihren Rücktritt an.
    Demonstranten in den Räumlichkeiten der offiziellen Residenz des Präsidenten während der Proteste gegen die Regierung
    Quelle: dpa, AP, AFP