Der Deutsche Städtetag sieht beim öffentlichen Nahverkehr eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe. Er fordert wegen des geplanten 9-Euro-Tickets mehr Geld vom Bund.
Vom 1. Juni an soll das 9-Euro-Monatsticket im öffentlichen Nahverkehr für drei Monate gelten. Doch nicht nur um die Finanzierung gibt es Streit. Bahn-Mitarbeiter fürchten überfüllte Züge und Personalengpässe.
Der Deutsche Städtetag findet die Idee des 9-Euro-Tickets zwar klug, da mit dem ermäßigten Ticket im Sinne der Klimaziele mehr Menschen für Bus und Bahn gewonnen werden können. Der Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte jedoch gegenüber der Deutschen-Presseagentur:
"Große Sorgen bereiten uns auch die Finanzierungspläne", so Dedy.
- 9-Euro-Ticket - das müssen Sie wissen
Bundesweit startet der Verkauf des 9-Euro-Tickets. Die Sondertickets sollen für Juni, Juli und August angeboten werden. Was dabei zu beachten ist: ein Überblick.
Städtetag: Angehobene Finanzierung reicht nicht
Laut einem Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will der Bund in diesem Jahr Mittel für die Länder zur Finanzierung des Nahverkehrs um 3,7 Milliarden Euro erhöhen. Damit sollen auch die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket gezahlt werden - von Juni bis Ende August sollen Fahrgäste im Nah-und Regionalverkehr für 9 Euro pro Monat fahren können.
Die Summe von 3,7 Milliarden Euro klinge zwar nach viel Geld, sagte Dedy. Sie reiche aber nicht, um das ermäßigte Ticket zu kompensieren und die bestehenden Lasten im öffentlichen Nahverkehr aufzulösen.
Nach Berechnungen des Städtetags fehlten rund 1,7 Milliarden Euro, sagte Dedy. Deshalb müssten die für den öffentlichen Nahverkehr erforderlichen Regionalisierungsmittel schnell und dauerhaft dem Bedarf angepasst werden. "Das 9-Euro-Ticket wäre ein guter Anlass für den Bund, die Rechnung noch einmal aufzumachen."
DB Regio warnt vor Fahrgastansturm
Auch seitens der Grünen und der Länder, die den Gesetzesänderungen zustimmen müssen, wurde bereits mehr Geld gefordert. Der Vizevorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio, Ralf Damde, warnte zudem vor Überlastungen durch einen Fahrgastansturm wegen des vergünstigten Tickets.
Um Verspätungen durch überfüllte Züge zu vermeiden, sei zusätzliches Personal an den Bahnhöfen touristischer Hotspots nötig, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Minister Wissing weist Kritik zurück
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) machte dagegen im TV-Sender Welt deutlich, auch die Länder profitierten beim Nahverkehr von der Entlastung bei den Energiekosten.
Wissing sagte, es gebe keinen Grund, das günstige Ticket im Bundesrat scheitern zu lassen. Der Bund übernehme wie zugesagt die Kosten des 9-Euro-Tickets in Höhe von 2,5 Milliarden Euro und übernehme anteilig sogar Einnahmeausfälle durch die Pandemie. Die Länder dürften sogar noch die 9 Euro pro Ticket behalten, die sie einnehmen. Damit könnten sie die Verwaltungskosten bezahlen, so der Verkehrsminister.
Wissing geht von "reibungslosem Verkehr" aus
Zu Sorgen vor überfüllten Zügen durch das günstige Ticket sagte Wissing, es sei ein Wunsch der Länder gewesen, dass das Ticket deutschlandweit gelten solle - und nicht nur innerhalb der Verkehrsverbünde. Er gehe davon aus, dass die Länder es so organisieren werden, dass eine deutschlandweite Regelung zu einem "reibungslosen Verkehr" führe.
Wissing sagte generell zu Forderungen der Länder nach mehr Geld für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), es gehe zunächst darum, die Strukturen zu verbessern und moderner und effizienter zu werden. Dann komme am Ende die Frage der Finanzierung.
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