Bundespräsident Steinmeier regt die Einführung eines Pflichtdienstes für junge Menschen an - im Sozialbereich oder bei der Bundeswehr. Kritik kommt von Familienministerin Paus.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht sich für die Einführung eines verpflichtenden Dienstes im Sozialbereich oder bei der Bundeswehr für alle jungen Frauen und Männer aus. "Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen", sagte er "Bild am Sonntag".
Wie lange ein solcher Dienst dauern solle, ließ Steinmeier offen: "Ich habe bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein. Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen. Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen."
Das Projekt „Ungediente für die Reserve“ des Landeskommandos Hessen macht es möglich, dass Freiwillige innerhalb von drei Wochen von der Bundeswehr zu Reservisten ausgebildet werden.
Für Demokratie und Zusammenhalt
Geleistet werden solle die Pflichtzeit bei der Bundeswehr genauso wie bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften. Mit der Pflichtzeit könnten nach Einschätzung des Bundespräsidenten die Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden:
"Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn."
Steinmeier gegen Wehrpflicht
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht hält Steinmeier hingegen nicht für sinnvoll: "Ich war für die Wehrpflicht, solange es sie gab. Sie ist ausgesetzt worden, wir haben jetzt eine Bundeswehr mit ganz anderen Strukturen. Ich rate davon ab, die alte Debatte über die Wehrpflicht neu aufzulegen."
Das Land erlebe aber gerade ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen und sich engagieren. Die Politik sollte das mit einer Debatte über die soziale Pflichtzeit aufnehmen.
Familienministerin sieht "Eingriff in die individuelle Freiheit"
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) wendet sich sich gegen den Vorschlag Steinmeiers zur Einführung eines Pflichtdienstes. In Berlin erklärte Paus am Sonntag: "Ein sozialer Pflichtdienst würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten."
"Wir sollten unsere jungen Menschen, die unter der Coronapandemie besonders gelitten und sich trotzdem solidarisch mit den Älteren gezeigt haben, weiterhin die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen", fügte die Ministerin hinzu. Aus freiwilligem Engagement dürfe nicht Verpflichtung werden.