Trotz Hilfe für die Ukraine herrschte wochenlang eine Art Eiszeit zwischen Berlin und Kiew. Ein Telefonat von Steinmeier und Selenskyj lässt das Eis langsam schmelzen.
Nach wochenlanger Verärgerung zwischen Berlin und Kiew kommt Bewegung in die verfahrene Situation - bis hin zur Möglichkeit eines Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefonierte am Donnerstag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Selenskyj lud, wie es aus dem Bundespräsidialamt hieß, sowohl Steinmeier persönlich wie auch die gesamte Bundesregierung nach Kiew ein.
Selenskyj und Steinmeier wollen in Kontakt bleiben
Zunächst wird aber an diesem Wochenende die zweithöchste politische Repräsentantin Deutschlands, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), dort erwartet. Bas habe "den Wunsch zu einer Reise in die Ukraine, um auf Einladung ihres ukrainischen Amtskollegen Ruslan Stefantschuk gemeinsam mit ihm aller Opfer des Zweiten Weltkriegs zu gedenken und politische Gespräche zu führen", sagte eine Bundestagssprecherin.
Steinmeier telefoniert mit Selenskyj. Was bedeutet das für das Verhältnis zwischen Bundeskanzler Scholz und der Ukraine? Dazu eine Einschätzung von ZDF-Korrespondent Theo Koll.
Er und Selenskyj bezeichneten ihr Gespräch den Angaben zufolge als "sehr wichtig" und "sehr gut". "Beide Präsidenten vereinbarten, in engem Kontakt zu bleiben." Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, bestätigte das Telefonat. "Deutschland bleibt ein mächtiger Verbündeter der Ukraine", schrieb er im Nachrichtendienst Telegram.
Berlin und Kiew: Blick nach vorn
Ein Sprecher Selenskyjs sagte der "Bild"-Zeitung, beide Präsidenten hätten sich darauf verständigt, "ihre Vergangenheit zurückzulassen und sich auf die zukünftige Zusammenarbeit zu konzentrieren".
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Die Irritationen waren zustande gekommen, nachdem die ukrainische Seite Mitte April einen Besuch Steinmeiers in Kiew abgelehnt hatte. Der Bundespräsident wollte die ukrainische Hauptstadt zusammen mit den Präsidenten Polens und der drei baltischen Staaten besuchen, wurde zur Verärgerung Berlins aber im letzten Moment ausgeladen.
Ausladung Steinmeiers belastet Beziehungen
Wegen dieses Affronts lehnte Bundeskanzler Scholz eine Reise nach Kiew ab, obwohl er dort, wie Botschafter Andrij Melnyk deutlich gemacht hat, willkommen wäre.
Das sagte Scholz zuletzt am Mittwoch nach der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg. Das sei eine Angelegenheit, "wo die Ukraine auch ihren Beitrag zu leisten muss, im Gespräch mit dem Bundespräsidenten, in Diskussionen, die da stattfinden".
Kritik aus Kiew an deutscher Zögerlichkeit bei Waffen
Dieser erste Schritt ist nun mit dem rund 45 Minuten langen Telefonat von Steinmeier und Selenskyj getan. Als zweiter Schritt kann die Teilnahme von Bundestagspräsidentin Bas am Weltkriegsgedenken in Kiew angesehen werden - eine Geste, die dort dem Vernehmen nach sehr geschätzt wird.
Bundeskanzler Scholz wird Zögerlichkeit in seiner Ukraine-Politik vorgeworfen. Im ZDF verteidigt er seinen Kurs und betont, dass er schnell, aber besonnen gehandelt habe.
Der Stimmung in Berlin nicht förderlich war in den vergangenen Wochen auch die ständige Kritik aus der Ukraine an der angeblichen deutschen Zögerlichkeit bei der Lieferung von Waffen für den Abwehrkampf gegen Russland.
In der kurzen Erklärung des Bundespräsidialamts zum Gespräch Steinmeiers mit Selenskyj wurde nochmals betont: "Deutschland hat die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf von Anfang an finanziell, wirtschaftlich und auch militärisch unterstützt und steht mit vereinten Kräften und solidarisch an der Seite der Ukrainer."
Merz sieht sich als erfolgreicher Vermittler
Wegen der Ausladung von Steinmeier und der dadurch verursachten Weigerung von Scholz, nach Kiew zu fahren, war der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der erste hochrangige deutsche Politiker, der nach Ausbruch des Krieges dorthin kam. Für ihn nahm sich Präsident Selenskyj am vergangenen Dienstag gut eine Stunde Zeit.
Friedrich Merz hat in Kiew auch Präsident Selenskyi getroffen. In Irpin machte er sich ein Bild von den immensen Zerstörungen der Städte.
Merz schrieb es am Donnerstag sich zugute, dass es nun zur Entspannung zwischen Steinmeier und Selenskyj kam. "Ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar, dass er meiner Bitte um eine Einladung des Bundespräsidenten gefolgt ist", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
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