Vor zwei Jahren kippte das Verfassungsgericht ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Der Bundestag debattierte am Mittwoch über eine mögliche Neuregelung. Ein Überblick.
Es ist eine Gewissensfrage - und so fand die Debatte über eine mögliche Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag unter Aufhebung des Fraktionszwangs satt. Jede und jeder Abgeordnete soll sich eine eigene Haltung bilden können.
Während Abgeordnete auf der einen Seite das Recht auf selbstbestimmtes Sterben betonen, befürchten die anderen eine Normalisierung von Suiziden und fordern eine Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Suizidhilfe.
Die Debatte im Bundestag - sachlich geführt
Die Beihilfe zum Suizid ist ein hochemotionales Thema, das mit existenziellen Grundfragen des Lebens verknüpft ist. Und Kontroversen hervorruft.
Zur Vorgeschichte:
2020 hatte das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt: Das Gericht hatte ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Die Richter befanden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, für den Suizid Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unabhängig von Krankheit oder Alter.
Hoffnung auf einen würdigen Tod
Das Recht auf einen selbstbestimmten Tod
Das Urteil - so der Abgeordnete Helge Lindh (SPD) - sei gewissermaßen eine Zumutung. Eine, die wir jedoch ertragen müssten. Daraus dürfe aber "keine Zumutung für die Betroffenen und potenziellen Helfer gemacht werden". Er warb für eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts - eine Neuregelung, die Suizidhilfe durch Medikamente nach einer Beratung des Betroffenen grundsätzlich erlauben will.
Es gebiete die Menschlichkeit, Betroffene mit ihrem Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht mehr allein zu lassen, so die Initiatorin dieses Entwurfs, Katrin Helling-Plahr (FDP). Sie warb - wie auch Petra Sitte (Linke) - für ein Suizidhilfegesetz. Eine strafrechtliche Regelung sei "indiskutabel". Die Menschen wollten die Sicherheit haben, "sterben zu dürfen, wenn es so weit ist". Diesen Menschen solle mit Respekt begegnet werden, statt ihnen mit Strafe zu drohen.
Der Gesetzentwurf sieht den Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen vor, die Sterbewillige ergebnisoffen aufklären.
Der Schutzauftrag des Staates
Der Abgeordnete Ansgar Heveling (CDU) warnte vor einer Freigabe der Sterbehilfe und stellte dem den unbedingten Schutz des Lebens in seiner Rede entgegen. Ein Suizid könne nicht rückgängig gemacht werden, deshalb sei es wichtig, dass sich der "Staat schützend vor das Leben des Einzelnen" stellt. Er verwies darauf, dass die Suizidrate in Ländern mit erlaubter geschäftsmäßiger Sterbehilfe höher sei.
Er plädierte zusammen mit anderen Abgeordneten dafür, organisierte Beihilfe zum Suizid grundsätzlich zu verbieten. Und nur in Ausnahmefällen und nach ärztlicher Begutachtung zuzulassen.
An erster Stelle müsse die Prävention vor einem Suizid stehen, sagte die Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther (B90/Grüne), denn häufig sei der Sterbewille nur der Wunsch, so nicht mehr zu leben. Sie sprach sich dafür aus, den assistierten Suizid zu regeln, ohne ihn jedoch zu fördern. Entscheidend, so Thomas Rachel (CDU), seim nicht durch, sondern an der Hand eines Anderen zu sterben.
Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast erläuterte, das Parlament könne die Situation unverändert belassen. "Die Frage ist, ob wir das wollen." Künast hatte mit der Grünen-Abgeordneten Katja Keul Eckpunkte für ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben" vorgelegt.
Entscheidung erst im Herbst
Nach dieser ersten Orientierungsdebatte könnten noch weitere Anträge dazukommen. Nach bisheriger Planung soll es noch im Sommer eine erste Lesung der Gesetzesentwürfe geben. Im Herbst sollen die Abgeordneten eine Entscheidung fällen. Welcher Vorschlag am Ende die größte Unterstützung erhält, ist nicht absehbar.