Der Bundestag debattiert erstmals über eine Neuregelung der Sterbehilfe - gut ein Jahr, nachdem die alten Regeln für verfassungswidrig erklärt wurden. Worum es geht: ein Überblick.
Die Legislaturperiode ist fast vorüber, da wendet sich der Bundestag am heutigen Mittwoch noch einem besonders sensiblen Thema zu - der Neuregelung der Sterbehilfe. Wie umgehen mit dem Suizidwillen von Menschen und mit der Unterstützung Dritter dabei?
Die Abgeordneten ließen sich reichlich Zeit mit dieser Frage. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das diese Neuregelung erforderlich macht, ist bereits gut ein Jahr alt.
Was ist die Ausgangslage?
Am 26. Februar vergangenen Jahres verkündete Karlsruhe ein Urteil von großer gesellschaftlicher Tragweite und ethischer Brisanz. Das höchste deutsche Gericht kippte das seit Dezember 2015 bestehende Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe und erklärte den entsprechenden Strafrechtsparagrafen 217 für nichtig. Grund sei, dass er "die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert". Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Aktive Sterbehilf«e - also Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze - blieb verboten.
Ein Leitgedanke des Grundsatzurteils:
Das gilt ausdrücklich für jeden Menschen, nicht nur für unheilbar Kranke. (Az. 2 BvR 2347/15 u.a.)
Wie könnte eine Neuregelung aussehen?
Bislang liegen drei Gruppenanträge für eine Neuregelung vor. Diese unterscheiden sich vom Ansatz her teils deutlich.
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Was sagen Patientenschützer?
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz weist darauf hin, dass Karlsruhe den Gesetzgeber nicht explizit aufgefordert habe, diese Frage zu regulieren. "Wenn der Bundestag sich dieses ethischen Themas annimmt, darf jedoch die Selbstbestimmung des Suizidwilligen nicht eingeschränkt werden." So dürfe das organisierte Suizidangebot nicht an Alters- oder Leidenskriterien festgemacht werden.
Niemand sollte sich an der Hilfe zur Selbsttötung finanziell bereichern dürfen. "Sonst stehen die eigenen Interessen des Suizidhelfers dem freien Willen des Suizidwilligen schnell entgegen." Vorsicht sei bei Schutzkonzepten geboten, die auf Beratung setzten. Denn es sei unmöglich, Autonomie mithilfe medizinischer oder juristischer Kriterien zu ermitteln.
Dieser habe zu verantworten, dass der Entschluss des Suizidwilligen tatsächlich nach deutlicher Abwägung des Für und Widers erfolgt ist. "Gleichzeitig hat der Suizidhelfer dafür Sorge zu tragen, dass von dritter Seite weder Druck noch Einflussnahme ausgeübt wird."
Was sagen Betroffene?
Wie geht es weiter mit der Sterbehilfe?
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich kurz nach dem Karlsruher Urteil zuversichtlich gezeigt, dass eine Neuregelung bis zur Bundestagswahl 2021 möglich sei. Die Zeit hierfür ist aber ausgesprochen knapp geworden. Bis zum Ende der Wahlperiode sind nur noch vier Bundestag-Sitzungswochen vorgesehen.
Sollte es zu keiner Einigung auf neue Regeln kommen, dann müsste der nächste Bundestag sich des Themas von Neuem annehmen. Denn alle Gesetzesvorhaben, die bis zum Ende der Wahlperiode nicht abgeschlossen werden, sind automatisch nichtig.
Kommentar- Sterbehilfe: Zeit ist reif für Neuregelung
Die Neuregelung der Sterbehilfe ist viel diskutiert, aber es tut sich wenig. Betroffene sprechen von sadistischer Ignoranz. Dem ist nichts hinzuzufügen, findet Christoph Schneider.
von Christoph Schneider