Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann ist seit Wochen eine Art heimliche Gegenspielerin von Kanzler Scholz: Im Berlin-direkt-Interview fordert sie fast unverblümt seinen Rücktritt.
Seitdem die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), gemeinsam mit den Parlamentskollegen Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) in die Ukraine gefahren ist, hat der Kanzler sich offenbar auf sie eingeschossen. Geradezu abfällig als "Jungs und Mädels" hatte Olaf Scholz die kleine Gruppe tituliert, die sich Mitte April in Lemberg mit Kolleginnen und Kollegen aus dem ukrainischen Parlament getroffen hatte.
Kritik am Zögern des Kanzlers
"Kriegstourismus" soll es im Kanzleramt über die Reise der Bundestagsabgeordneten geheißen haben, berichten verschiedene Medien. Strack-Zimmermann lacht darüber nur: "Mit mir geht das nicht nach Hause." Und sie kritisiert den Kanzler und seine zögerliche Haltung bei der Lieferung schwerer Waffen weiter:
Es sei Mutlosigkeit, die das Handeln von Kanzler Scholz bestimme, so die Analyse der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses.
So fasst Strack-Zimmermann ihre Wahrnehmung zusammen. Das ist vor allem deshalb bedeutend, weil die FDP-Frau Koalitionspartnerin des SPD-Kanzlers ist. Und sie geht noch weiter. Ein so großes Land wie Deutschland müsse führen, gerade in so einer Krise wie die des schrecklichen Krieges in der Ukraine. Und diese Führung müsse von Olaf Scholz kommen: "Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch."
Auch wenn sie die Namen des Kanzlers nicht in den Mund nimmt, ist sehr klar, wen sie hier meint.
Strack-Zimmermann fühlt sich falsch verstanden
Hinterher fühlt sich Strack-Zimmermann allerdings falsch verstanden: "Dieser Spin ist Unsinn", twittert sie nach der ZDFheute-Berichterstattung. "Die Ampel ist richtige Regierung zum richtigen Zeitpunkt - nicht nur angesichts mangelhafter Alternativen."
Nur das liefern, was vorhanden ist
Natürlich könne Deutschland nur die schweren Waffen liefern, die auch zur Verfügung stünden, räumt die Verteidigungsexpertin im ZDF-Interview ein. Der Schützenpanzer Marder sei jetzt zu dem Synonym geworden "was wir nicht wollen oder nicht können oder nicht funktioniert", sagt Strack-Zimmermann.
Über 30 Jahre sei die Bundeswehr jetzt runtergespart worden, die Depots quöllen nicht über - aber es gehe letztlich "um ein Bekenntnis, auch den Mut zu haben, angesichts der dramatischen Lage auch schwere Waffen zu liefern".
Alternativen in Betracht ziehen
Und Strack-Zimmermann fordert, über Alternativen nachzudenken: "Wir haben natürlich noch anderes Material. Wir haben den sogenannten Dingo, den wir aus Afghanistan zurückgeholt haben, den könnte man in die Ukraine liefern."
Die zögerliche Haltung bei den Panzern und den gepanzerten Fahrzeugen verstelle inzwischen den Blick auf die Unterstützung, die Deutschland tatsächlich leiste, etwa Millionen Schuss Munition aller Kaliber. "Wir haben, um im Bild zu bleiben, derartige Ladehemmungen, dass im Ausland auch das, was wir geliefert haben, nicht goutiert wird", klagt die FDP-Politikerin.
- Welche Waffen die Ukraine bisher bekommen hat
Maschinengewehre, Luftabwehrraketen, Panzerfäuste hat Deutschland bislang an die Ukraine geliefert. Doch das, was Kiew am dringendsten fordert, findet sich nicht auf der Liste.
Nato-Partner handelten anders
Und auch gegenüber den Verbündeten verhalte sich der Kanzler nicht redlich, schätzt die Ausschussvorsitzende das Verhalten von Olaf Scholz ein. Sie bezieht sich dabei auf die Pressekonferenz von Scholz nach den Beratungen der G7 Anfang der Woche: "Der Kanzler hat gesagt, dass die Welt sozusagen macht, was wir machen. Da kann ich nur sagen: Gott sei Dank nicht!"
Inzwischen haben sich viele Verbündete auch zur Lieferung schwerer Waffen durchgerungen. Die USA liefern schwere Flak-Geschütze, die Niederlande die Panzerhaubitze 2000, Frankreich die Haubitze Caesar oder die östlichen Partner Polen, Tschechien und Slowakei ältere T-72 Panzer. "Die Verbündeten sagen, so kennen wir Deutschland, so sind sie eben. Immer zögerlich, immer mal gucken wie weit man gehen kann. Das Problem ist das Zögern, das Zaudern, das nicht mutig sein, das nervt die Leute", meint Strack-Zimmermann. [Mehr dazu heute ab 19:10 Uhr in Berlin direkt.]
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