Ampel plant Strompreisbremse: Viele Fragen bleiben offen
Ampel plant Entlastungen:Strompreisbremse: Viele Fragen bleiben offen
von Kristina Hofmann, Berlin
04.09.2022 | 19:01
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"So schnell wie möglich", sagt Kanzler Scholz, soll die Strompreisbremse nun kommen. Finanziert aus den Übergewinnen der Energiekonzerne. Was fehlt, sind die Details.
Im sogenannten dritten Entlastungspaket ist es der erste Punkt. Damit vielleicht auch der wichtigste für die Bundesregierung nach langen Verhandlungen. Damit die Menschen ihre Rechnungen bezahlen können, will die Ampel-Koalition eine Strompreisbremse einführen und Gewinne von Energiekonzernen "abschöpfen", wie es Kanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF-Sommerinterview sagte.
Doch wie genau das funktionieren soll, muss sich erst in den nächsten Verhandlungen zeigen. Und zwar nicht nur in der Koalition, sondern auch in der Europäischen Union.
Wie hoch ist der "Basisvebrauch" an Strom?
Für eine bestimmte Menge, "Basisverbrauch" nennt die Ampel das in ihrem am Sonntag präsentierten Papier, soll künftig jeder Privathaushalt einen geringeren Strompreis bezahlen. Das Ziel: "Die Haushalte werden so finanziell spürbar entlastet und gleichzeitig bleibt ein Anreiz zum Energiesparen erhalten." Für kleine und mittelständische Unternehmen soll ein ähnlicher Mechanismus gelten.
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Wie dieser Basisverbrauch festgelegt wird, steht jedoch noch nicht fest. Wie hoch oder niedrig dieser "vergünstigte Preis" ist, wie es im Papier heißt, auch nicht. Möglich ist, dass der individuelle Verbrauch zugrunde gelegt wird und ein bestimmter Prozentsatz davon der "Basisverbrauch" ist. Oder es wird, je nach Größe des Haushalts, eine Anzahl von Kilowattstunden festgelegt, die günstiger bezogen werden. Für alles, was darüber hinaus geht, müsste der volle Marktpreis gezahlt werden.
Wer das alles ausrechnet, auch dazu hat die Bundesregierung noch keine Angaben gemacht. Wer es bezahlen soll schon: die Energiekonzerne. Auch da gibt es Fragezeichen.
Lindner: Keine Übergewinnsteuer, sondern Zufallsgewinne
Kanzler Scholz sagte im ZDF-Sommerinterview, es ließen sich "viele, viele Milliarden" aus diesen Übergewinnen auf dem Strommarkt "abschöpfen". SPD und Grüne wollten immer eine Übergewinnsteuer, die FDP jedoch diese auf gar keinen Fall. Finanzminister Christian Lindner (FDP) spricht nun von "Zufallsgewinnen" und von einer Abgabe und stellt auf Twitter klar: "Steuerrechtlich passiert hier nichts."
Tweet von Christian Lindner
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Zufallsgewinne, Übergewinne, es sind auf jeden Fall Gewinne, die nicht mit dem zu tun haben, was man eigentlich wirtschaftlich tut.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Derzeit ist es auf dem Strommarkt so geregelt, dass die hohen Preise von Gaskraftwerken die Preise an den Strombörsen bestimmen. Wer Elektrizität aus Erneuerbaren Energien, Braun- und Steinkohle, Wasserkraft oder aus Atomkraft erzeugt, hat aber keine höheren Produktionskosten, macht aber so automatisch seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Gewinne. Der "Autopilot für Rendite", sagt Lindner. Der werde jetzt abgestellt.
Und die Gewinne sollen an die Verbraucher wieder zurückgegeben werden. Am Ende "ein Nullsummenspiel", sagt Scholz. Konkret könnte die EEG-Umlage rückwärts eingeführt werden: Statt mit einem Zusatzbeitrag den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu finanzieren, soll ein Höchstwert für die Erlöse am Strommarkt festgelegt werden. Die Differenz zwischen Großhandelspreis und Obergrenze müsste dann abgeführt werden. So steht es in dem Papier der Ampel, so könnte sie es einführen.
Allerdings braucht sie dazu im Idealfall die EU, damit der Markt nicht in Schieflage gerät. Doch wer legt diesen Höchstwert fest und wie hoch soll er sein?
65 Milliarden Euro soll das dritte Entlastungspaket kosten. Damit reagiert die Bundesregierung auf die sprunghaft gestiegenen Energiepreise.
Hoffen auf EU-Treffen am Freitag
Die Grundlagen für diesen Eingriff in den Spotmarkt hat die Europäische Union bereits im März gelegt. In dem Papier "RePowerEU" hatte man Leitlinien festgelegt, um steuerlich von den Erträgen der Stromerzeuger zu profitieren und gleichzeitig eine Marktverzerrung zu vermeiden. Eine Übergewinnsteuer soll etwa zeitlich befristet sein und darf nicht rückwirkend erhoben werden. Einige Länder haben diese bereits umgesetzt. Oder angekündigt. Oder sie wurde, wie in Italien, eingeführt und ist wegen Klagen von Unternehmen derzeit ohne Wirkung.
Interessanter ist jedoch, was am kommenden Freitag passiert. Dann treffen sich die Energieminister und wollen konkretisieren, was "abschöpfen" genau heißt. Oder wie es Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt: Man werde dann "die Dinge schnell weiter ausbuchstabieren". Wo liegt der Höchstwert für die Erlöse am Spotmarkt? Wer legt diese fest? Oder andersherum: Ab wann macht ein Konzern so etwas wie einen unzulässigen Gewinn? Und wie viel davon muss er an den Staat wieder abgeben?
Ob sich die EU-Länder darüber schon am Freitag einigen, ist offen.
Fratzscher: Strompreisbremse erst in Monaten - wenn überhaupt
Große Probleme bei der Umsetzung sieht Kanzler Scholz nicht: Niemand habe Zeit zu warten. Außerdem sei es "nicht so schwer", sagt Scholz, es werde nun "sehr schnell" gehen. Andere sind da nicht so optimistisch. BDI-Präsident Siegfried Russwurm jedenfalls "bietet ausdrücklich an", die Industrie könne schon "im Vorfeld ihre Expertise für Lösungen" einbringen. Denn: Die Erneuerbaren Energien ausbauen zu wollen und jetzt den Gewinn "abzuschöpfen," könnte ein schwieriges Marktsignal sein.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hält diese Strompreisbremse für "völlig unausgegoren", weil es eben keinen Plan für die Abschöpfung der Übergewinne gebe. Fratzschers Prognose: "Die Strompreisbremse wird erst in vielen Monaten, wenn überhaupt, umgesetzt werden können." Auch Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa hat noch Fragezeichen: Wie die Strompreisbremse gelingen soll, "ist noch nicht überzeugend dargestellt".