Ukraine-Krieg: Warum macht Putin genau jetzt mobil?

    Druck von Nationalisten:Warum Putin genau jetzt teilmobilisiert

    21.09.2022 | 21:54
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    "Putin hat sich in eine Ecke manövriert, aus der er nicht mehr herauskommt", erklärt Russland-Experte Nico Lange. Die Teilmobilmachung sei die Reaktion auf russische Nationalisten.

    Es läuft militärisch alles andere als geplant für Russlands Staatschef Wladimir Putin in der Ukraine. Die Übernahme des russischen Nachbarstaats hätte innerhalb von drei Tagen erfolgen sollen, nun läuft der Krieg bereits im siebten Monat - und die ukrainischen Truppen üben mit ihrer Gegenoffensive immer mehr Druck auf die russische Armee aus.
    Am Morgen verkündete Putin eine Teilmobilmachung von bis zu 300.000 Reservisten, um die Frontverläufe in den besetzten Gebieten zu verstärken. Warum tut er das gerade jetzt?
    "Putin hat sich in eine Ecke manövriert, aus der er nicht mehr herauskommt", erklärt der Politikwissenschaftler und Russland-Experte Nico Lange bei ZDFheute live.

    Stilles Abkommen zwischen Putin und der Bevölkerung

    Putin habe gute Gründe gehabt, warum er die Mobilmachung bisher stets vermieden hat, argumentiert Lange, der früher für die CDU und die Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet hat.

    Er wusste, dass es so eine Art stilles Abkommen geben kann mit den russischen Bürgern, wenn er den Krieg führt, aber dafür vor allen Dingen Soldaten aus entlegenen Provinzen einsetzt und die Bürger in den großen Städten im großen Ganzen in Ruhe lässt. Dann hat er Unterstützung für diesen Krieg. 

    Nico Lange, Politikwissenschaftler

    Die Mobilmachung sei nun einerseits ein Zeichen der Schwäche, weil sich die Dinge militärisch nicht so entwickeln, wie Putin sich das vorgestellt habe. Vor allem werde der Krieg - der bislang öffentlich ja überhaupt nicht als solcher bezeichnet werden durfte - jetzt nochmal sehr viel deutlicher in der russischen Gesellschaft ankommen, ist Lange überzeugt. Das führe jetzt schon zu Protesten und werde vermutlich auch weiter zu Widerständen führen.

    Es ist schon eine Besonderheit, dass viele Russen diesen Krieg zwar unterstützt haben, aber immer unter der Bedingung, dass sie ihn selbst nicht führen müssen.

    Nico Lange, Politikwissenschaftler

    Russische Nationalisten fordern noch brutaleres Vorgehen

    Unter Druck stehe Putin jedoch nicht nur durch westliche Sanktionen oder die langsam in den Krieg hineingezogene Bevölkerung. Ein weiteres Problem für den russischen Präsidenten seien die russischen Nationalisten. Sie fordern eine Generalmobilmachung der gesamten Bevölkerung und wollen, dass Putin mit noch brutaleren Angriffen gegen die Ukraine vorgehen solle.

    Ich glaube, die Nationalisten überschätzen die russischen militärischen Möglichkeiten, aber Putin hat da Geister geweckt, die er jetzt nicht mehr eingehegt bekommt.

    Nico Lange, Politikwissenschaftler

    Wird jetzt ein Putsch gegen Putin wahrscheinlicher?

    Schon seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine wird immer wieder über einen möglichen Putsch gegen Putin spekuliert. Als größtes Risiko für den russischen Präsidenten sieht Lange dabei die nationalistischen Kräfte, "die wollen, dass er alles tut, um die Ukraine zu vernichten und die ihn sozusagen für einen Schwächling halten, dass er das nicht hinbekommt". Sie seien auch der Grund, warum Putin bei der Mobilmachung nachgegeben habe.

    Die Wahrscheinlichkeit eines Putsches wird vor allen Dingen dadurch erhöht, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt.

    Nico Lange

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    Quelle: ZDF

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