Ein britischer Abgeordneter wurde erstochen, die Polizei hat Hinweise auf eine islamistische Tat. Wird Terrorismus mit dem Ende der Corona-Maßnahmen wieder sichtbarer?
Zwei schlimme Gewalttaten erschüttern Europa. Der britische Abgeordnete David Amess ist gestern in seinem Wahlkreis niedergestochen worden und daran gestorben. Die Polizei spricht von Terror mit Verbindung zu islamistischem Extremismus.
In der norwegischen Stadt Kongsberg hat ein Mann am Mittwoch fünf Menschen mit Pfeil und Bogen getötet. Die Tat wurde erst als Terror eingestuft, später dann abgeschwächt. Man halte es für wahrscheinlich, dass der Mann psychisch krank sei. In einem Video hatte er sich als Muslim und Bote bezeichnet.
ZDFheute: Die Ermittlungen sind noch nicht beendet, dennoch: Ist der islamistische Terror zurück in Europa?
Julia Ebner: Er war nie weg.
Zwar hat der Islamische Staat sein Territorium verloren - dadurch ist sein Haupt-Rekrutier-Argument weg. Aber besonders im Netz geht die Radikalisierung durch den sogenannten Online-Dschihad weiter. Der soll Menschen zu Attentaten motivieren.
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ZDFheute: Waren auch Terroristen im Lockdown?
Ebner: Es ist schon bezeichnend, dass es vor einem Jahr in Wien gerade am letzten Tag, bevor wieder alles zugesperrt wurde, einen dschihadistischen Terroranschlag gegeben hat. Es stimmt: Durch die Pandemie gab es in den letzten zwei Jahren viel weniger Momente, in denen Dschihadisten zuschlagen konnten.
Viele Menschen waren auch psychisch verwundbarer, weil sie einsamer waren. Momente der Schwäche nutzen Extremisten aus. Ob sich das auch in Taten zeigt, muss man abwarten.
ZDFheute: Beim Fall in Kongsberg muss untersucht werden, inwiefern der Mann psychisch erkrankt und deshalb nicht zurechnungsfähig sein könnte. Was unterscheidet Terrorismus von Gewalttaten eines psychisch Erkrankten?
Ebner: Terrorismus ist ein bewusster, geplanter politischer Anschlag.
Der Terrorist von Hanau hat krude Verschwörungstheorien in einem Manifest geäußert, viele haben ihn deshalb als psychisch verwirrt bezeichnet und ihm den Terroristen-Begriff abgesprochen. Ich würde trotzdem sagen, dass er ein Terrorist ist. Er hat seine Tat gezielt durchgeführt und in einem Manifest angekündigt. Eine ähnliche Debatte gab es mit Anders Breivik in Norwegen.
ZDFheute: Der Terror von Essex erinnert an die Ermordung der britischen Abgeordneten Jo Cox vor fünf Jahren. Auch sie wurde in ihrem Wahlkreis niedergestochen und auch angeschossen.
Ebner: In Großbritannien, wo ich lebe, hat es das alte Trauma hervorgerufen. Terror ist eine sehr gewaltsame Form der Kommunikation, der Manipulation.
ZDFheute: Mit dem Ende der Corona-Maßnahmen: Wird Terrorismus in Europa wieder sichtbarer werden?
Ebner: Der Lockdown ist vorbei, die Krise aber noch lange nicht. Viele Menschen haben ihre Jobs verloren, es gibt auch eine kollektive psychische Krise.
Das Interview führt Julia Klaus.