Das Thüringer Dilemma: Die schwere Suche nach dem Kompromiss

    Das Thüringer Dilemma:Die schwere Suche nach dem Kompromiss

    Daniela Sonntag vom ZDF-Landesstudio Thüringen mit Mikrofon.
    von Daniela Sonntag
    07.06.2022 | 21:01
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    Streit um Abstände zu Windrädern und das Schulgeld in Gesundheitsberufen: Warum die Bundespolitik wieder mit Sorgen auf den Thüringer Landtag schaut.

    Der Landtag von Thüringen in Erfurt am 17.06.2020
    Der Landtag von Thüringen
    Quelle: dpa

    Der Rost glüht, die Bratwurst brutzelt - so ist die Thüringer Landidylle geplant, wenn Friedrich Merz morgen in Sonneberg die CDU-Kandidatin bei den Bürgermeisterwahlen unterstützt. Doch es wäre nicht Thüringen, wenn bei Merz' erstem Besuch als CDU-Bundesvorsitzender nicht auch politisch die Luft im Freistaat brennen würde. Angefacht von der christdemokratischen Landtagsfraktion, die diese Woche zwei Anträge womöglich auch mit Stimmen der AfD um Björn Höcke durchbringen könnte.

    Gemeinsame Sache von CDU und AfD?

    Ein neuer Thüringer Eklat - nachdem die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich für ein politisches Beben gesorgt hatte? Die rot-rot-grünen Regierungsparteien warnen mit Unterstützung aus Berlin nun öffentlichkeitswirksam vor einem neuen Dammbruch. [Tabu-Bruch in Thüringen? Kritik an der CDU.]
    Thüringens CDU-Fraktionsvorsitzender Mario Voigt hingegen beharrt darauf, dass es nur um die Sache ginge, Parlamentsarbeit eben durch Anträge geprägt sei. Friedrich Merz, der im letzten Jahr bei jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD mit Parteiausschluss gedroht hatte, beschäftigt sich nun mit den gleichen Thüringer Konflikten wie seine Vorgänger.

    Sache oder Prinzip?

    Bei den CDU-Anträgen geht es um zwei Fragen. Erstens: Wie weit müssen Windräder von Wohnhäusern entfernt sein? Und zweitens: Sollen Azubis in Gesundheitsberufen Ausbildungsgebühren an freien Schulen erstattet bekommen? Eigentlich kleinere Sachfragen, eigentlich scheinen Kompromisse möglich. Doch der erbitterte Streit um Windräder und Schulgeld fördert zutage, was das Bundesland seit Monaten lähmt.
    Das Thüringer Dilemma: Rot-Rot-Grün hat keine eigene Mehrheit, und die CDU hat den Stabilitätspakt mit den Regierungsparteien im letzten Sommer aufgekündigt. Seitdem wird gelauert und gelästert, gestritten und gestänkert - auf Kosten der Sacharbeit. Neuwahlen hätten das beenden können. Doch erst vier Abgeordnete der CDU und dann auch zwei der Linken verhinderten die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Auflösung des Landtags.

    Ministerpräsident Ramelow schaltet sich ein

    Hinter den Kulissen wird nun seit dem Wochenende viel telefoniert. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich in die Debatte eingeschaltet. Ein 'Windfrieden' steht im Raum, das Schulgeld könnte nochmal zurück in den Ausschuss verwiesen werden. Der Showdown im Landtag soll wohl vermieden werden, aber klar ist derzeit noch nichts.
    Politikwissenschaftler Andre Brodocz von der Universität Erfurt sagt zu einer möglichen gemeinsamen Abstimmung mit der AfD: "Ansonsten müsste eine rot-rot-grüne Regierung Gesetze durchsetzen, die allein von CDU, FDP und AfD beschlossen worden sind. Die Wählerinnen und Wähler wüssten dann bei der nächsten Wahl nicht mehr, wen sie für diese Politik verantwortlich machen können. (...)"

    Parteienforscher: Schaden für Demokratie

    Für Parteienforscher André Brodocz wäre "diese unübersichtliche Verantwortungslosigkeit" ein Schaden für die Demokratie. Für die Beteiligten im Thüringer Landtag bleiben kaum Alternativen zur Suche nach dem Minimalkompromiss. Es heißt erst mal weiter Durchhalten bis zur regulären Landtagswahl 2024. Und der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz dürfte sich wohl darauf einstellen, dass es morgen bei der Bratwurst in Sonneberg Gesprächsbedarf gibt - zu den Thüringer Turbulenzen.
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