Prorussische Separatisten haben drei gefangene ausländische Soldaten der Ukraine zum Tode verurteilt. Der Schauprozess ist auch ein Testballon für die Todesstrafe in Russland.
Es sollte ein juristisches Exempel statuiert werden: Am Donnerstag verhängte der Oberste Gerichtshof der prorussischen Separatisten im ostukrainischen Donezk Todesurteile gegen drei gefangene ausländische Soldaten, die für die Ukraine gekämpft hatten.
Der ganze Prozess dauerte kaum vier Tage. International löste das Urteil gegen die zwei Briten und einen Marokkaner Empörung aus. Nach Einschätzung von Experten stellt es einen weiteren Bruch des Völkerrechts durch Russland und seine Verbündeten dar.
Waren die Verurteilten Söldner für die Ukraine?
Die Anklage fußte auf einem inhaltlich falschen Vorwurf: Die ausländischen Freiwilligen seien keine regulären Soldaten, sondern Söldner. Damit stünden sie nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen, wonach Kriegsgefangenen allein wegen ihrer Teilnahme an einem Krieg kein Prozess gemacht werden darf.
Die russische Armee hat im März bei Angriffen auf die Stadt Tschernihiw Dutzende Zivilisten getötet – das geht aus einem Bericht von Human Rights Watch hervor.
"Es ist völkerrechtlich problematisch, diese Gefangenen als Söldner zu bezeichnen. Sie sind integriert in die ukrainischen Streitkräfte. Ihnen steht der Status von Kriegsgefangenen zu", sagt die auf Russland spezialisierte Professorin für Völkerrecht Caroline von Gall von der Universität Köln. Solange ihnen keine Kriegsverbrechen vorgeworfen würden, dürften sie nicht strafrechtlich belangt werden.
Das Tempo des Verfahrens und die wenigen Informationen zum Ablauf seien kein gutes Zeichen für die Achtung rechtstaatlicher Prinzipien, sagt von Gall. "Notwendig gewesen wären jedenfalls ausländische Beobachter."
Was will Russland mit diesen Urteilen bezwecken?
"Es handelt sich hier klar um einen Schauprozess. Ziel des Prozesses ist die Abschreckung nach innen und außen. Das Urteil soll Einzelpersonen und auch Regierungen davon abhalten, die Ukraine zu unterstützen", erklärt von Gall ZDFheute.
Politische Strafprozesse würden in Russland auch dazu genutzt, um über das Verfahren Botschaften in die Gesellschaft zu transportieren, so von Gall. "Der russischen Gesellschaft soll gezeigt werden, dass es auch ein Kampf gegen den Westen ist, dass Russland sich aber wehren kann und in der Lage ist, dies hart zu bestrafen. Es soll ein Symbol der Stärke sein."
Werden die Todesurteile wirklich vollstreckt?
Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge drohe den Verurteilten nun ein Erschießungskommando. Ein Gerichtsvertreter teilte ebenfalls mit, dass sie nun einen Monat Zeit hätten, um Berufung einzulegen. Auch könnten sie die politische Führung der Separatistenrepublik darum ersuchen, das Todesurteil in eine langjährige Haftstrafe umzuwandeln.
"Ich halte es für denkbar, dass die Strafen nicht vollstreckt werden, sondern man sich von ihnen Verhandlungspotenzial erhofft", sagt von Gall. Russische Medien spekulieren bereits länger über Pläne, die drei ausländischen Kämpfer gegen den in Kiew inhaftierten prorussischen Politiker Wiktor Medwedtschuk einzutauschen.
Anfang März wurden bei einem russischen Angriff in der Stadt Tschernihiw zahlreiche Zivilisten getötet und verwundet. "Tschernihiw wäre ein weiterer Beleg für mutmaßliche russische Kriegsverbrechen", so ZDF-Reporterin Julia Held in Tschernihiw.
Ob das Urteil drastische Konsequenzen für weitere Kriegsgefangene Russlands haben könnte, ist ebenfalls unklar. Am Donnerstag kündigten russische Ermittler an, gegen mindestens 1.100 gefangene ukrainische Kämpfer Ermittlungsverfahren einzuleiten. Darunter sollen zahlreiche Mitglieder des Asow-Regiments sein, die sich in Mariupol Russland ergeben hatten. Ihnen könnte ebenfalls die Todesstrafe drohen.
Wie viele Kriegsgefangene Russland insgesamt hat, lässt sich kaum überprüfen. Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu sprach am Dienstag von rund 6.500 Kriegsgefangenen. Die "Moscow Times" zitierte Ende Mai einen Vertreter der Luhansker Volksrepublik, wonach die Separatisten rund 8.000 ukrainische Kriegsgefangene gemacht hätten.
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Die separatistische Donezker Volksrepublik verurteilt zwei Briten und einen Marokkaner als Söldner zum Tode. Großbritannien sieht das als "Scheinurteil ohne jegliche Legitimität".
Will Russland die Todesstrafe wieder einführen?
Hinter den drei Todesurteilen und der einhergehenden Berichterstattung in Russland könnte ein größeres politisches Ziel stehen: die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Als Russland 1996 dem Europarat beitrat, setzte man die Verhängung von Todesurteilen offiziell aus. "Die Abschaffung war damals Bedingung für die Aufnahme Russlands. Es gab in der Duma aber immer Stimmen, die argumentierten, dass man die Todesstrafe eigentlich brauche", sagt Expertin von Gall.
Russlands Präsident Wladimir Putin wird genau beobachten, wie die russische Gesellschaft die Urteile aufgreift. So wie Russlands Propaganda die breite Bevölkerung erfolgreich für den Krieg mobilisiert hat, so könnte sie nun versuchen, Unterstützung für die Todesstrafe zu schaffen.
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