Ukraine-Krieg: Plant Russland eine Welle von Todesurteilen?

    Gefangene ausländische Kämpfer:Plant Russland eine Welle von Todesurteilen?

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
    10.06.2022 | 18:12
    |

    Prorussische Separatisten haben drei gefangene ausländische Soldaten der Ukraine zum Tode verurteilt. Der Schauprozess ist auch ein Testballon für die Todesstrafe in Russland.

    Separatisten verurteilen Ausländer in ukrainischer Armee zum Tod
    Die drei zum Tode verurteilten Ausländer bei der Urteilsverkündung in Donezk.
    Quelle: Imago

    Es sollte ein juristisches Exempel statuiert werden: Am Donnerstag verhängte der Oberste Gerichtshof der prorussischen Separatisten im ostukrainischen Donezk Todesurteile gegen drei gefangene ausländische Soldaten, die für die Ukraine gekämpft hatten.
    Der ganze Prozess dauerte kaum vier Tage. International löste das Urteil gegen die zwei Briten und einen Marokkaner Empörung aus. Nach Einschätzung von Experten stellt es einen weiteren Bruch des Völkerrechts durch Russland und seine Verbündeten dar.
    Tweet von Liz Truss
    Ein Klick für den Datenschutz
    Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von Twitter nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Twitter übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von Twitter informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Datenschutzeinstellungen anpassen

    Waren die Verurteilten Söldner für die Ukraine?

    Die Anklage fußte auf einem inhaltlich falschen Vorwurf: Die ausländischen Freiwilligen seien keine regulären Soldaten, sondern Söldner. Damit stünden sie nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen, wonach Kriegsgefangenen allein wegen ihrer Teilnahme an einem Krieg kein Prozess gemacht werden darf.
    "Es ist völkerrechtlich problematisch, diese Gefangenen als Söldner zu bezeichnen. Sie sind integriert in die ukrainischen Streitkräfte. Ihnen steht der Status von Kriegsgefangenen zu", sagt die auf Russland spezialisierte Professorin für Völkerrecht Caroline von Gall von der Universität Köln. Solange ihnen keine Kriegsverbrechen vorgeworfen würden, dürften sie nicht strafrechtlich belangt werden.
    Das Tempo des Verfahrens und die wenigen Informationen zum Ablauf seien kein gutes Zeichen für die Achtung rechtstaatlicher Prinzipien, sagt von Gall. "Notwendig gewesen wären jedenfalls ausländische Beobachter."

    Was will Russland mit diesen Urteilen bezwecken?

    "Es handelt sich hier klar um einen Schauprozess. Ziel des Prozesses ist die Abschreckung nach innen und außen. Das Urteil soll Einzelpersonen und auch Regierungen davon abhalten, die Ukraine zu unterstützen", erklärt von Gall ZDFheute.

    Angst ist ein zentrales Herrschaftsinstrument dieses Regimes. Und dieses Urteil ist jetzt eine neue Stufe der Verbreitung von Angst und Einschüchterung.

    Caroline von Gall, Universität Köln

    Politische Strafprozesse würden in Russland auch dazu genutzt, um über das Verfahren Botschaften in die Gesellschaft zu transportieren, so von Gall. "Der russischen Gesellschaft soll gezeigt werden, dass es auch ein Kampf gegen den Westen ist, dass Russland sich aber wehren kann und in der Lage ist, dies hart zu bestrafen. Es soll ein Symbol der Stärke sein."

    Werden die Todesurteile wirklich vollstreckt?

    Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge drohe den Verurteilten nun ein Erschießungskommando. Ein Gerichtsvertreter teilte ebenfalls mit, dass sie nun einen Monat Zeit hätten, um Berufung einzulegen. Auch könnten sie die politische Führung der Separatistenrepublik darum ersuchen, das Todesurteil in eine langjährige Haftstrafe umzuwandeln.
    "Ich halte es für denkbar, dass die Strafen nicht vollstreckt werden, sondern man sich von ihnen Verhandlungspotenzial erhofft", sagt von Gall. Russische Medien spekulieren bereits länger über Pläne, die drei ausländischen Kämpfer gegen den in Kiew inhaftierten prorussischen Politiker Wiktor Medwedtschuk einzutauschen.
    Ob das Urteil drastische Konsequenzen für weitere Kriegsgefangene Russlands haben könnte, ist ebenfalls unklar. Am Donnerstag kündigten russische Ermittler an, gegen mindestens 1.100 gefangene ukrainische Kämpfer Ermittlungsverfahren einzuleiten. Darunter sollen zahlreiche Mitglieder des Asow-Regiments sein, die sich in Mariupol Russland ergeben hatten. Ihnen könnte ebenfalls die Todesstrafe drohen.
    Wie viele Kriegsgefangene Russland insgesamt hat, lässt sich kaum überprüfen. Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu sprach am Dienstag von rund 6.500 Kriegsgefangenen. Die "Moscow Times" zitierte Ende Mai einen Vertreter der Luhansker Volksrepublik, wonach die Separatisten rund 8.000 ukrainische Kriegsgefangene gemacht hätten.

    Todesurteile der Separatisten
    :Ukraine pocht auf Freilassung von Ausländern

    Die separatistische Donezker Volksrepublik verurteilt zwei Briten und einen Marokkaner als Söldner zum Tode. Großbritannien sieht das als "Scheinurteil ohne jegliche Legitimität".
    Separatisten verurteilen Ausländer in ukrainischer Armee zum Tod

    Will Russland die Todesstrafe wieder einführen?

    Hinter den drei Todesurteilen und der einhergehenden Berichterstattung in Russland könnte ein größeres politisches Ziel stehen: die Wiedereinführung der Todesstrafe.
    Als Russland 1996 dem Europarat beitrat, setzte man die Verhängung von Todesurteilen offiziell aus. "Die Abschaffung war damals Bedingung für die Aufnahme Russlands. Es gab in der Duma aber immer Stimmen, die argumentierten, dass man die Todesstrafe eigentlich brauche", sagt Expertin von Gall.

    Dass die Todesstrafe nun in den sogenannten Volksrepubliken verhängt wurde, ist ein gewaltiger Schritt. Da steckt eine große Symbolik dahinter und das ist auch ein Test für Russland selbst.

    Caroline von Gall, Universität Köln

    Russlands Präsident Wladimir Putin wird genau beobachten, wie die russische Gesellschaft die Urteile aufgreift. So wie Russlands Propaganda die breite Bevölkerung erfolgreich für den Krieg mobilisiert hat, so könnte sie nun versuchen, Unterstützung für die Todesstrafe zu schaffen.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Zerstörter Spielplatz und Schule in der Ukraine
    Liveblog
    Thema

    Aktuelle Nachrichten zur Ukraine