Trumps Twitter-Comeback: Hass als Chance - Ein Kommentar

    Kommentar

    Trumps Twitter-Comeback:Hass als Chance

    ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann
    von Nicole Diekmann
    |

    Donald Trump darf wieder twittern: Ein potenzieller Booster für eine Präsidentschaftskandidatur, aber höchst problematisch für die Welt - und hoffentlich ein Weckruf.

    Kommentar: Nicole Diekmann - Trump bei Twitter
    Kommentar: Nicole Diekmann - Trump bei Twitter
    Quelle: ZDF/Taidgh Barron/ZUMA Press Wire/dpa

    Der rote Teppich, den Elon Musk am Wochenende für Donald Trump ausgerollt hat, ist blau, besitzt die Form eines Vogels und bietet dem Ex-Präsidenten derzeit eine bombastische Followerschaft von 87 Millionen. Nach nur 24 Stunden hat Trump dort mehr Follower als Deutschland Einwohner. Und ihre Zahl steigt sekündlich. Der Hunger nach neuen Posts von Trump ist, nach knapp zwei Jahren Sperre, gigantisch.
    Das Prinzip "Verknappung" wirkt, knapp zwei Jahre Twitter-Zwangspause sind vorbei: Nach dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 hatte zunächst Twitter und später auch Facebook entschieden, den abgewählten Trump zu sperren.
    Zu groß war die Sorge, dass er seine Kanäle weiterhin missbrauchen könnte, um zu Gewalt anzustacheln und Falschaussagen zu verbreiten. Zigtausende Lügen wiesen US-Medien Trump während seiner Amtszeit nach. Sie dienten ihm als wichtiges Instrument. Und als zentrales Mittel bei ihrer Verbreitung diente ihm Twitter.

    Musk lässt über Trump-Rückkehr abstimmen

    Twitter-Neubesitzer Elon Musk hatte nie damit hinter dem Berg gehalten, dass er die Verbannung Trumps vom Kurznachrichtendienst für falsch hält. Also ließ er am Wochenende darüber abstimmen. Eine knappe Mehrheit votierte für die Rückkehr Trumps.
    Ein Scharfmacher, ein notorischer Lügner, der gerade angekündigt hat, wieder Präsident werden zu wollen, hat nun also wieder Zugang zu seinem Lieblings-Propagandainstrument. Auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht. Auf den zweiten muss es das aber nicht sein.
    Denn Trumps Macht bröckelt erheblich. Bei den Midterms sind seine Wunschkandidaten durchgefallen. Stichwort fallen: Rupert Murdoch hat seinen einstigen Liebling fallen gelassen, lässt ihn in seinen Medien verhöhnen. Nicht mal Trumps eigene Tochter will sich am Wahlkampf ihre Vaters beteiligen. Weite Teile der republikanischen Partei gehen ebenfalls auf Distanz.
    Zu groß ist der Schrecken dort, wie auch bei ehemaligen Wählern, über die Brutalität und Vulgarität, mit der Trump sein Amt ausübte, Behinderte öffentlich verhöhnte, sich offen frauenfeindlich äußerte, ständig Regeln des Anstands und des Respekts brach. Und zu groß die Wut darüber, dass wohl nicht zuletzt deshalb der nicht sehr angesehene Kandidat der Demokraten, Joe Biden, das Weiße Haus eroberte.

    Trump könnte Twitter-Niedergang beschleunigen

    Deshalb birgt Trumps Twitter-Comeback auch eine Chance - sollte er denn überhaupt wieder twittern. Nach seinem Rauswurf hatte er nämlich ein eigenes Netzwerk gegründet: Truth Social. Das läuft zwar nur mäßig - dort folgen ihm gerade mal fünf Millionen Leute - aber laut "New York Times" hat Trump sich verpflichtet, immer erst dort zu posten. Erst sechs Stunden später darf er sich dann auch auf anderen sozialen Plattformen äußern.
    Nun ist allerdings stark zu bezweifeln, dass Trump sich daran hält und sein gigantisches Megaphon namens Twitter ungenutzt lässt - gerade, weil er mehr denn je drauf angewiesen ist. Und damit könnte er den Niedergang des seit der Übernahme von Musk sowieso schwer trudelnden Kurznachrichtendienstes beschleunigen.
    Sollte Trump dort wieder mitmischen, dürften sich noch mehr Werbetreibende abwenden und User abmelden. User, die dann auf der Suche nach einer neuen Social-Media-Heimat sind. Einer Plattform, so nutzerfreundlich wie Twitter und so potenziell anständig, auf ein gutes Miteinander bedacht und dezentral organisiert, wie zum Beispiel Mastodon.
    Die Lücke nach etwas Neuem klafft immer offensichtlicher. Vielleicht findet sich ja eine echte Alternative für Twitter. Etwas, das die Fehler der vergangenen Jahre nicht wiederholt - und das somit den Hass Trumps in etwas Neues, Besseres ummünzt. Vielleicht. Und: hoffentlich.
    Nicole Diekmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.

    Musk wirbt für Republikaner
    :Wie neutral ist Twitter?

    Im Endspurt der US-Zwischenwahlen bekommen die Republikaner Rückendeckung von Twitter-Chef Elon Musk. Das wirft die Frage auf, wie neutral der Kurznachrichtendienst sein kann.
    Elon Musk, aufgenommen am 04.11.2022

    Mehr zu Trump und Twitter