Der polnische Dokumentarfilmer Arkadiusz Podniesinski führt nach Abzug des russischen Militärs eigene Messungen am Kernkraftwerk in Tschernobyl durch - er gibt Entwarnung.
"Um herauszufinden, wie stark die Strahlung in den Schützengräben der Russen um Tschernobyl wirklich ist, müsste man die Hand reinhalten und dort direkt messen", sagt Akardiusz Podniesinksi.
Der polnische Fotograf und Filmemacher dokumentiert seit 15 Jahren die Folgen der Nuklearkatastrophe in der verseuchten Sperrzone um Tschernobyl und war der erste, der nach Abzug der russischen Truppen die Strahlungswerte im Roten Wald gemessen hat.
Mit Geigerzähler und Medikamenten nach Tschernobyl
Kurz nach dem Rückzug des russischen Militärs fuhr Podniesinski als erster ziviler Helfer nach Tschernobyl. Neben Medikamenten für die von Hilfsgütern abgeschnittenen Menschen hatte er auch einen Geigerzähler dabei. Damit führte er Anfang April am Rand des Roten Waldes, der seinen Namen durch die radioaktive Strahlung nach dem Atomunglück im Jahr 1986 erhalten hat, Messungen durch. Damals waren die Bäume versengt und hatten eine rostbraune Farbe angenommen.
Vor 36 Jahren kam es zur Katastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl. Der Krieg ist bereits gefährlich nah an das Gebiet herangerückt. Was bedeutet das für Soldaten vor Ort?
Kaum jemand kennt sich in Tschernobyl so gut aus wie der Dokumentarfilmer. Im Laufe der Jahre hat er die Mitarbeiter im Kernkraftwerk kennengelernt, aber auch die Samosely, wie sich die illegalen Siedler in der verseuchten Zone nennen.
Nur wenige Bewohner in der Sperrzone
"Nach der Zwangsevakuierung nach dem Unglück kamen viele Menschen wenige Tage bis Wochen entgegen der Anweisung der Regierung zurück und siedelten sich dort wieder an", erläutert der 49-Jährige. Mittlerweile lebten dort nur noch wenige ältere Menschen, meist im Alter von 70 bis zu 100 Jahren. Junge gibt es dort nicht.
Seine guten Beziehungen nach Tschernobyl und die Zustimmung des Militärs machten es möglich, dass Podniesinski so schnell mit Hilfsgütern in die Sperrzone fahren konnte.
Dokumentarfilmer: Strahlungsschäden sind Propaganda
Die Nachrichten von russischen Soldaten, die durch das Ausheben und Verharren in Schützengräben im Roten Wald mit Strahlungsschäden in Belarus behandelt würden, hält Podniesinksi nach seinem Aufenthalt, wie viele andere Strahlungsexperten weltweit, für Kriegspropaganda. "Die Strahlung um den Reaktor und auch im Wald ist sehr gering", sagt Podniesinski.
Der in Sachen Strahlung geschulte Filmer und Fotograf konnte nur eine schwache Strahlung, etwa 0,6 Mikrosievert im Roten Wald feststellen. Freilich, in den Gräben selbst habe er nicht gemessen, denn das Gebiet gilt als vermint. Dieses unnötige Risiko wollte er dann doch nicht eingehen.
Werte wohl erst nach Jahren schädlich
Er habe allerdings in einigen Ortschaften außerhalb der Sperrzone Werte von bis zu 20 Mikrosievert gemessen, räumt Podniesinski ein. Doch auch diese seien nur punktuell und könnten erst nach Jahren schädlich werden. "Selbst wenn russische Soldaten in einem der Gräben eine höhere Strahlung abbekommen hätten, so waren sie dort nicht lange genug, um ernsthafte gesundheitliche Schäden davonzutragen", sagt er.
Weder Krankenhäuser in Belarus, noch andere Medien konnten die Nachricht von den verstrahlten Soldaten bestätigen. "Diese News scheinen nur zur Verstärkung der hohen Moral bei ukrainischen Soldaten erzeugt worden zu sein, damit sie sehen, dass auch russische Soldaten gelitten haben", ordnet Podniesinski ein.
Schäden im Kraftwerk gering
Unterdessen seien die Schäden im Kraftwerk an sich nicht allzu hoch. Lediglich Büros und Forschungslabore sind seinen Beobachtungen nach verwüstet und systematisch geplündert worden. Die Verantwortlichen für den Sperrbezirk schätzten, berichtet Podniesinski, dass es bis zu einem Jahr dauern könne, bis wieder ein Zustand wie vor dem Krieg hergestellt sei.
Was aus den 160 Sicherheitskräften geworden ist, die beim Angriff auf das Kraftwerk Ende Februar nach Russland verschleppt worden seien, wisse bis heute niemand, sagt der Fotograf. Das russische Militär habe Teams von ukrainischen Freiwilligen gestattet, im Wechsel das Kraftwerk zu betreiben, was zur Sicherheit des Betriebs beigetragen habe.
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