Der Journalist Can Dündar wurde in der Türkei zu 27 Jahren Haft verurteilt. Im Interview bezeichnet er die Vorwürfe als "lächerlich" - und befürchtet eine abschreckende Wirkung.
ZDFheute: Can Dündar, Sie sind heute in der Türkei unter anderem wegen der Unterstützung einer Terror-Organisation und Spionage verurteilt worden. Wie bewerten Sie das Urteil?
Can Dündar: Ich weiß nicht, für welche Terror-Organisation ich gearbeitet haben soll, genauso wenig weiß ich, für welches Land ich spioniert haben soll. Es ist lächerlich, dass ein Journalist, der nur eine wahre Geschichte veröffentlicht hat, eine Terror-Organisation unterstützt haben soll oder für einen Geheimdienst tätig gewesen sein soll.
ZDFheute: Verurteilt wurden Sie zu über 27 Jahren Haft. Was bedeutet das für Sie?
Dündar: Wenn man Journalist ist in einem Land wie der Türkei, ist das Teil des Geschäfts. Man muss bereit sein, den höchsten Preis zu bezahlen. Ich bin nicht glücklich darüber, ich bin nicht stolz darauf, aber ich versuche es so normal wie möglich zu nehmen. Was mich besorgt ist, dass das Urteil abschreckend wirken könnte auf Journalisten in der Türkei. Wenn man einen Journalisten entsprechend bestraft, wird das andere abschrecken, solche Geschichten überhaupt zu machen.
ZDFheute: Glauben Sie denn, dass der Druck auf ihre Unterstützer in der Türkei steigen wird - auch auf diejenigen, die für demokratische Prinzipien kämpfen?
Dündar: Leider wächst der Druck jeden Tag. Erdogan wird von den Verhältnissen in die Ecke getrieben, was die Wirtschaft oder die internationale Politik angeht. Es kommt eine harte Zeit auf ihn zu. Es beginnt sozusagen der Winter für Erdogan. Das ist der Grund, warum er mehr Druck ausübt, Journalisten oder andere Menschenrechtsaktivisten zu bestrafen.
ZDFheute: Wenn wir in die Zukunft schauen, was sind Ihre Pläne? Werden Sie Ihre Arbeit hier in Deutschland fortsetzen?
Dündar: Wir bereiten uns auf die Zeit nach Erdogan vor hier in Deutschland. Wir versuchen vorauszusehen, was als nächstes passiert. Wir arbeiten mit Akademikern, versuchen einen Fahrplan auszuarbeiten für die Nach-Erdogan-Ära, für den Tag danach. Wenn dieser Albtraum vorbei ist, werden wir zurückkehren, um eine neue demokratische Türkei aufzubauen.
Das Interview führte Roman Leskovar