Ein Bewaffneter dringt in das Büro der pro-kurdischen Partei HDP in Izmir ein und schießt um sich. Eine Frau stirbt. Nur ein Zufall verhinderte womöglich ein größeres Blutbad.
Bei einem Angriff auf das Büro der prokurdischen Oppositionspartei HDP in Izmir ist eine Mitarbeiterin erschossen worden. Ein Angreifer sei am Donnerstag in das Parteibüro im Zentrum der westtürkischen Stadt eingedrungen und habe um sich geschossen, teilte die HDP mit. Dabei sei die 38-Jährige getötet worden.
HDP in der Türkei unter massivem Druck
Nach Angaben des Provinzgouverneurs wurde der Mann festgenommen. Die Hintergründe der Tat blieben zunächst unklar. Der HDP-Co-Vorsitzende Mithat Sancar sieht auch die Regierung in der Verantwortung.
Der Angriff kam kurz vor einem möglichen Verbotsverfahren gegen die HDP, die die zweitgrößte Oppositionspartei im Parlament ist. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gilt. Die HDP weist das scharf zurück.
Wieder geht die Türkei massiv gegen Oppositionelle vor: Menschenrechtler und 36 Mitglieder der prokurdischen HDP wurden in der Nacht festgenommen, darunter hochrangige Funktionäre. Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft ein Verbot der HDP beantragt.
Die HDP steht in der Türkei unter massivem Druck. Tausende Parteimitglieder sitzen in Haft, darunter der ehemalige Vorsitzende Selahattin Demirtas. Am Donnerstag ging auch ein Prozess gegen Demirtas und 107 weitere prominente HDP-Politiker in Ankara weiter. Die Angeklagten verließen aus Protest gegen den Angriff in Izmir den Gerichtssaal.
Womöglich durch Zufall kein größeres Blutbad
Die HDP beschuldigte die Regierung für den Angriff vom Donnerstag mitverantwortlich zu sein, weil sie die Partei immer wieder zur Zielscheibe mache. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP und ihr ultranationalistischer Partner MHP seien "Anstifter und Mittäter", hieß es in einer Erklärung.
HDP-Co-Chef Sancar sprach von einem geplanten Angriff. Zum Zeitpunkt der Tat hätten eigentlich 40 führende HDP-Politiker in dem Gebäude eine Sitzung abhalten sollen, die Versammlung sei aber verschoben worden. Die getötete HDP-Mitarbeiterin sei daher alleine in dem Büro gewesen.
Proteste in Izmir: "Mörder Erdogan"
Die HDP-Vorsitzende der Provinz Izmir, Serpil Kemalbay, warf der Polizei vor, zu spät eingegriffen zu haben, obwohl sie vor dem Gebäude eine Wache unterhielten. Es handele sich um einen "politischen" Angriff, sagte sie der dpa. Vor dem Provinzgebäude in Izmir versammelten sich hunderte Demonstranten. Einige skandierten "Mörder Erdogan".
Politiker anderer Parteien verurteilten die Tat auf Twitter. Man werde Provokationen, die das Ziel hätten, "Frieden und Sicherheit zu zerstören, keine Gelegenheit geben", schrieb etwa Ömer Celik, stellvertretender Vorsitzender der regierenden AKP.