Der Fall um den inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala spitzt sich weiter zu. Das Ministerkomitee des Europarates hat jetzt einem Strafverfahren gegen die Türkei zugestimmt.
Quelle: Wiktor Dabkowski/dpa
Im Konflikt um den inhaftierten Kulturförderer und Verleger Osman Kavala hat der Europarat in einem historisch nahezu einmaligen Schritt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Das sogenannte Ministerkomitee mit Vertretern der 47 Mitgliedstaaten stimmte am Donnerstag für das Verfahren, wie die Institution mitteilte. Die Türkei warf dem Europarat nach der Entscheidung Voreingenommenheit vor.
Gerichtshof hatte Freilassung angeordnet
Hintergrund des Verfahrens ist die fortgesetzte Weigerung Ankaras, Kavala aus der Haft zu entlassen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte schon vor rund zwei Jahren Kavalas Freilassung angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof urteilte, die Untersuchungshaft diene dazu, Kavala zum Verstummen zu bringen und andere Menschenrechtler abzuschrecken. Damit verletze die Türkei Grundrechte und setze ihre Justiz für illegitime Zwecke ein.
Präsident Erdogan will mehrere Botschafter zu unerwünschten Personen erklären lassen. Für ZDF-Korrespondent Luc Walpot ist das "ein Hinweis auf eine verweifelte Lage".
Zuvor war mit einiger Spannung erwartet worden, ob sich die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Ministerkomitee finden würde, um das Verfahren auszulösen. Die Straßburger Institution wacht über die Einhaltung der Menschenrechte und ist keine EU-Institution. Das Vertragsverletzungsverfahren ist mehrstufig und führt keineswegs zwangsläufig zu einem Ausschluss der Türkei aus dem Europarat. Das Außenministerium in Ankara kritisierte die Entscheidung.
Man halte es für einen inkonsistenten Ansatz, Kavala weiterhin auf der Tagesordnung zu halten, während auch andere Staaten Urteile nicht umsetzten.
Kavala inhaftiert ohne Verurteilung
Osman Kavala ist seit vier Jahren inhaftiert, ohne je verurteilt worden zu sein. Dem 64-Jährigen werden in einem Prozess in Istanbul ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten sowie "politische und militärische Spionage" im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan greift Kavala auch immer wieder persönlich an. Kavala selbst weist die Vorwürfe strikt zurück.
Auch deutsche Politiker kritisierten die Festnahme. Die Türkei ist seit 1950 Mitglied im Europarat und hat mehr als 3.500 Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofes umgesetzt. Als Mitgliedsland des Europarats ist die Türkei verpflichtet, sich an Urteile des Gerichts zu halten.