Er soll versucht haben, die Regierung zu stürzen: Der Unternehmer und Kulturförderer Osman Kavala ist in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Ein türkisches Gericht hat den Unternehmer und Philantropen Osman Kavala wegen Unterstützung der Massenproteste von 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Kavala saß bereits vier Jahre ohne Urteil in Haft
Das Gericht befand den 64-jährigen Kavala am Montag für schuldig, den Sturz der Regierung versucht zu haben. Sieben weitere Angeklagte wurden zu bis zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.
Kavala saß seit mehr als vier Jahren ohne Urteil im Gefängnis. 2020 war er von der Anklage im Zusammenhang mit den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul freigesprochen worden. Er wurde jedoch wegen anderer Vorwürfe sofort erneut in Haft genommen. Später wurde auch der Freispruch aufgehoben.
Fall Kavala löste diplomatische Krise aus
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2019 geurteilt, Kavala werde zu unrecht inhaftiert, um ihn und andere Menschenrechtler zum Schweigen zu bringen. Die Anklage gegen ihn werde nicht durch Beweise gestützt.
Als im Oktober die Botschafter mehrerer Länder, darunter auch Deutschlands, die Umsetzung dieser Anordnung forderten, löste dies diplomatische Verwicklungen aus. Erdogan kündigte die Ausweisung der Diplomaten an, nahm dies aber zurück, nachdem die Botschaften erklärt hatten, sich an diplomatische Konventionen zu halten und sich nicht in innere Angelegenheiten eines Gastlandes einzumischen.
Die Botschafter von zehn Ländern müssen die Türkei nun zwar nicht verlassen. Doch welche Konsequenzen hat der Streit für den inhaftierten Kulturmäzen Osman Kavala?
Baerbock und Roth fordern sofortige Kavala-Freilassung
"Dieses Urteil steht in krassem Widerspruch zu den rechtsstaatlichen Standards und internationalen Verpflichtungen, zu denen sich die Türkei als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidatin bekennt", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). "Wir erwarten, dass Osman Kavala unverzüglich freigelassen wird - dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei verbindlich verpflichtet."
Kulturstaatsministerin Claudia Roth nannte die Entscheidung des Istanbuler Gerichts "absurd, in jeder Hinsicht ungerechtfertigt und offenkundig politisch motiviert". Es handle sich um "eine Mischung aus persönlicher Rache an Osman Kavala und einer Kampfansage an jegliche Formen einer möglichen Kultur der Demokratie in der Türkei".
Amnesty: Kavala-Urteil "reinste Willkür"
"Als bedeutender Kulturförderer und überzeugter Demokrat baute Osman Kavala Brücken im Inland wie zwischen der Türkei, Deutschland und Europa", sagte Roth. Mit dem Urteil würden diese Brücken eingerissen "und stattdessen Mauern errichtet und Spaltungen vorangetrieben", so die Kulturstaatsministerin, die ebenfalls eine sofortige Freilassung Kavalas forderte.
Nach Ansicht von Amnesty International zeigt das Urteil, "dass rechtsstaatliche Prinzipien in der Türkei nicht zählen". Den Richterspruch bezeichneten die Menschenrechtler als "reinste Willkür".