Wahl in Tunesien: Nur neun Prozent geben Stimme ab

    Parlamentswahl:Tunesien: Nur neun Prozent Wahlbeteiligung

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    Tunesien leidet unter einer Wirtschaftskrise. Bei der Parlamentswahl ist die Beteiligung für Präsident Saied ein Fiasko: nur neun Prozent der Wähler gaben ihre Stimme ab.

    In Tunesien ist die Wahl für ein neues und deutlich geschwächtes Parlament schleppend verlaufen. Bis zur Schließung der Wahllokale gingen nach Angaben der Wahlkommission knapp neun Prozent der mehr als 9,2 Millionen Wahlberechtigten zu den Urnen - und damit deutlich weniger als bei den früheren Parlamentswahlen im Land.
    Der Leiter der Wahlbehörde, Farouk Bouasker, erklärte schon am Samstag, die Wahlbeteiligung sei so niedrig ausgefallen, da es sich zum ersten Mal in der Geschichte des Landes um "saubere Wahlen" gehandelt habe, ohne Stimmenkauf und politische Einflussnahme.
    Die unabhängige tunesische Wahlbeobachterorganisation Mourakiboun erklärte dagegen, bereits bei der Vorbereitung der Wahlen habe es organisatorische Schwächen gegeben. Man habe - wie auch bei vergangenen Wahlen - einige Versuche beobachten können, die Wähler unrechtmäßig zu beeinflussen, erklärte ein Vertreter der Organisation in Bezug auf die Erklärung des Wahlbehörden-Leiters.

    Opposition ruft Präsident Saied zum Rücktritt auf

    Die in der Rettungsfront vereinte Opposition rief Präsident Kais Saied zum Amtsverzicht auf. "Was heute passiert ist, gleicht einem Erdbeben", sagte der Chef der Rettungsfront, Nejib Chebbi. "Von diesem Moment an halten wir Saied für einen illegitimen Präsidenten und fordern seinen Rücktritt nach diesem Fiasko."
    "Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in den politischen Prozess und die politischen Vertreter", sagt Malte Gaier, der das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis leitet.

    Sie [die Menschen] versprechen sich auch von dieser Wahl keine Verbesserung.

    Malte Gaier, Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis

    Präsident Saied - zunehmend ein Autokrat

    Tunesiens Staatschef Kais Saied hatte das alte Parlament Ende März aufgelöst, um seine politischen Gegner zu schwächen und seine eigene Macht auszubauen.
    Seit der Einführung einer umstrittenen neuen Verfassung im Sommer, deren Text Ex-Juraprofessor Saied selbst verfasste, kann der Staatschef auch ohne Zustimmung des Parlaments die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen. Und die neue Volksvertretung wird nur noch wenige Befugnisse haben.
    Zudem werden die Abgeordneten nun direkt gewählt anstatt über Parteilisten. Parlamentarier, die "ihre Rolle nicht erfüllen", können unter bestimmten Bedingungen auf Antrag entlassen werden.

    Neues Wahlrecht grenzt Parlamentarierinnen aus

    Nach Ansicht von Kritikerinnen schadet die Abschaffung der Parteilisten besonders Frauen, da die Parteien verpflichtet waren, in ihre Listen auch Kandidatinnen aufzunehmen.
    Unter den insgesamt 1.055 Kandidierenden bei der Parlamentswahl gab es nur 127 Frauen. Im abgesetzten Parlament waren Human Rights Watch zufolge aufgrund der Quotenregelung 31 Prozent der Abgeordneten weiblich.

    Aufruf zum Wahlboykott durch Opposition und Verbände

    Das neue Wahlrecht reduziert zudem die Zahl der Abgeordneten im Parlament: von 217 auf 161. In einigen Wahlkreisen gibt es allerdings keine Kandidaten, so dass die Volksvertretung bis auf weiteres auch nicht vollständig besetzt sein wird.
    Die Opposition hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen. Sie wirft dem Präsidenten vor, die Demokratie zu untergraben. Auch der mitgliederstarke und einflussreiche tunesische Gewerkschaftsverband UGTT, der lange zu Saied gehalten hatte, nannte die Parlamentswahl "wenig sinnvoll".

    Wirtschaftskrise lässt Saieds Beliebtheitswerte sinken

    Dabei war für viele Tunesier Saied lange Zeit ein Hoffnungsträger. Inzwischen sinken seine Beliebtheitswerte rapide. Denn viele Menschen kämpfen Tag für Tag darum, über die Runden zu kommen.
    Lebensmittel sind teuer und mitunter knapp geworden. In Geschäften bitten Mütter inständig darum, mehr als die erlaubte eine Packung Milch pro Person kaufen zu dürfen. Auch Zucker und Butter gibt es derzeit nur selten. Immer mehr junge Tunesier machen sich auf den Weg nach Europa, um dort Arbeit und eine Perspektive zu finden.
    Quelle: dpa, AP

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