Wäre der Maut-Schadensfall vermeidbar gewesen? SPD und Union attestieren Scheuers Ministerium gravierende Mängel. Konsequenzen? Keine.
Die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann versucht so deutlich zu werden, wie sie kann. Scheuer könne "nicht weiter an seiner Erzählung festhalten, es habe im Bundesverkehrsministerium keine Fehler gegeben", sagt sie. Lühmann, im Untersuchungsausschuss bekannt für ihre harten Nachfragen, hat in den letzten Wochen um viele Formulierungen gefeilscht mit ihren Unionskollegen für die abschließende Bewertung des Maut-Desasters.
Welche Schuld trägt der Minister? Was hat er gewusst? Nach über einem Jahr Arbeit, über 70 Zeugenanhörungen und mehr als einer Million gesichteten Aktenseiten ist der Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut auf der Zielgeraden. SPD und Union sind als erste am Zug, ihren Teil für den Abschlussbericht zu schreiben.
Deutliche Kritik im Bericht
Und es findet sich durchaus deutliche Kritik in der gemeinsamen Bewertung der Koalition. Der Möglichkeit, dass das CSU-Prestigeprojekt vor dem EuGH noch scheitern konnte, "hätte in der Risikoabwägung eine größere Bedeutung zukommen müssen", heißt es in dem Bericht. Als das negative Urteil dann da war, sei Scheuer unvorbereitet in die sofortige Kündigung gestolpert: "Der Ausschuss bemängelt, dass die möglichen finanziellen Folgen einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen vor der Vertragsunterzeichnung nicht näher untersucht worden sind."
Ebenso kritisieren die Koalitionäre "die späte Aufmerksamkeit" dafür, dass das Betreiberangebot über eine Million Euro teurer war als vom Bundeshaushalt vorgesehen. Und auch die von Scheuer immer wieder zugesagte "maximale Transparenz" sieht die Koalition so nicht eingelöst: Dreimal habe Scheuers Ministerium Akten nachliefern müssen, "was die Arbeit des Untersuchungsausschusses erschwerte". Dazu passt, dass der Minister gerade erst auch die Zusammenarbeit mit einem Ermittlungsbeauftragten ablehnte, der nach Maut-E-Mails in Scheuers Bundestagspostfach suchen sollte.
Aber: Die Hauptvorwürfe, nämlich den Bruch von Haushalts- oder Vergaberecht, sieht die Koalition nicht als erwiesen an.
Nicht nachweisbar: Lüge vorm Parlament
Echte Konsequenzen fordert der Bericht nicht, das war offenbar mit der Union nicht zu machen. "Zu vielen Punkten war eine gemeinsame Bewertung mit der CDU/CSU nicht möglich", stellt SPD-Frau Lühmann nüchtern fest. "So kann der Ausschuss weder bestätigten, noch ausschließen, dass die Betreiber das Angebot gemacht haben, den Vertrag erst nach dem EuGH-Urteil zu unterzeichnen."
Scheuers Rücktritt verlangt die SPD deshalb auch heute nicht.
Opposition: Rechtsbrüche bei Haushalts- und Vergaberecht ausführlich dokumentiert
Die Opposition im Maut-U-Ausschuss kritisiert zu "lasche Formulierungen" der Koalition: "Man muss sich schon extrem verbiegen und verleugnen, um Herrn Scheuer einen Persilschein auszustellen", so Oliver Luksic, FDP. Rechtsbrüche beim Haushalts- und Vergaberecht seien ausführlich dokumentiert und durch Zeugenaussagen belegt.
Auch die Grünen wollen dem Bewertungsteil der Regierungsfraktionen nicht zustimmen. "Sieben Zeugen haben ganz klar ausgesagt, dass der Minister die frühzeitige Unterzeichnung der Mautverträge nicht verschieben wollte und damit den Schaden von über 500 Millionen Euro riskiert hat", so Oliver Krischer, Mitglied des Untersuchungsausschusses. Er unterstellt einen politischen Deal zwischen SPD und CDU/CSU:
Die Opposition schreibt nun ihrerseits auch eine Bewertung, der Abschlussbericht als Ganzes wird dann kurz vor der Sommerpause noch im Bundestag debattiert. Und Verkehrsminister Scheuer wird wohl bis zum Ende der Legislatur im Amt bleiben.
Drei überraschende Gründe, warum Scheuer noch im Amt ist.