Ein Datenleak liefert Beweise für das Ausmaß der Verfolgung und Masseninternierung von Uiguren in China. Außenministerin Baerbock zeigt sich schockiert und fordert Aufklärung.
Ein internationales Medienkonsortium hat kurz vor dem Besuch der UN Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang weitere Belege für die massenhafte Internierung von Uiguren in China veröffentlicht.
Bei den nun veröffentlichten "Xinjiang Police Files" handelt es sich um ein mehr als zehn Gigabyte großes Dateanleak an chinesischen Regierungsdaten, die als "vertraulich und "intern" klassifiziert seien.
Außenministerin Baerbock zeigt sich schockiert
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach das Thema am Dienstag in einer Videokonferenz mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi an und forderte Aufklärung von Peking. Ihr Ministerium sprach von "schockierenden Berichten und neuen Dokumentationen über schwerste Menschenrechtsverletzungen".
Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) nannte die Bilder aus China "schockierend".
Häftlingsfotos und geheime Reden veröffentlicht
Tausende Häftlingsfotos, mitunter geheime Reden und Schulungsunterlagen der Behörden oder auch Internierungslisten bewiesen, dass es sich bei den Lagern nicht wie von der chinesischen Regierung behauptet um "berufliche Fortbildungseinrichtungen" handele, erklärten der an der Recherche beteiligte Bayerische Rundfunk und "Spiegel".
So finde sich in dem Datensatz eine bislang unbekannte Rede des ehemaligen Parteichefs der Region Xinjiang aus dem Jahr 2017, in der es heißt, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei "zu erschießen".
Auf Bildern seien Sicherheitskräfte mit Sturmgewehren zu sehen. Ein Foto zeige zudem einen Häftling in einem sogenannten Tigerstuhl - einer Foltervorrichtung, bei der die Beine überdehnt werden.
UN-Menschenrechtskommissarin zu Besuch in China
Die Daten überschatten den Besuch von Michelle Bachelet. Mit ihr ist erstmal seit 17 Jahren wieder eine UN-Menschenrechtskommissarin zu Besuch in China. Bachelet wird voraussichtlich am Dienstag und Mittwoch die Städte Urumqi und Kashgar in Xinjiang besuchen.
Die Regierung in Peking wird beschuldigt, mehr als eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten in der Region im äußersten Westen des Landes in "Umerziehungslagern" interniert zu haben. Peking werden unter anderem Zwangssterilisierungen und Zwangsarbeit vorgeworfen.
Mit brutalen Mitteln versucht die chinesische Regierung die Angehörigen der Uiguren auf die Linie der kommunistischen Partei zu zwingen. Zwei Frauen berichten von den Qualen.
Außerdem sollen die Behörden kulturelle Stätten dem Erdboden gleichmachen. Die gesamte Region wird streng überwacht. Die USA sprechen von einem Genozid.
Die USA hatten auch Zweifel daran geäußert, dass Bachelet ein "unmanipuliertes" Bild der Lage erhalten würde.
China bestreitet die Vorwürfe vehement. Peking behauptet, es handele sich bei den Lagern um berufliche Fortbildungsstätten, deren Besuch freiwillig erfolge. HInter den Veröffentlichungen würden "anti-chinesische Kräfte" stehen.
Alt: China für "Gräueltaten zur Rechenschaft" ziehen
Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, sagte, die Datenlecks "entlarven die chinesische Propaganda und offenbaren ein Bild des Schreckens".
Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu China, Reinhard Bütikofer (Grüne), forderte BR und "Spiegel" gegenüber neue Sanktionen gegen China. Die "Bilder des Grauens" müssten dazu führen, dass die Europäische Union klar Stellung beziehe.
Der nun bekanntgewordene Datensatz wurde einer Mitteilung zufolge dem deutschen Anthropologen Adrian Zenz von einer annonymen Quelle zugespielt. Zenz ist in den USA ein bekannter China-Forscher, der schon früh auf die mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang hinwies und 2021 von Peking mit Sanktionen belegt wurde. Er teilte die Daten mit insgesamt 14 westlichen Medien.