Amnesty International wirft Kiew vor, Zivilisten zu gefährden. Das sei ein Verstoß gegen Völkerrecht. Außenminister Kuleba reagierte "empört" auf die "unfairen" Anschuldigungen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der ukrainischen Armee vor, durch ihre Militärtaktik unnötig Zivilisten gefährdet zu haben. Die Soldaten hätten "wiederholt aus Wohngebieten heraus operiert", erklärte Amnesty-Expertin Janine Uhlmannsiek.
Bei der Abwehr der russischen Invasion errichteten die Ukrainer Militärbasen etwa in besiedelten Wohngebieten - darunter auch in Schulen und Krankenhäusern - oder bedienten dort Waffensysteme, heißt es in dem Amnesty-Bericht.
Amnesty: Kiew verstößt gegen Völkerrecht
Das ukrainische Vorgehen sei "ein Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht", das nicht durch den "völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg" rechtfertigt werde.
Amnesty-Experten fanden demnach in den Regionen um Mykolajiw im Süden der Ukraine sowie bei Charkiw und im Donbass in der Ostukraine bei Recherchen zwischen April und Juni Beweise dafür, dass ukrainische Streitkräfte von Wohngebieten aus geschossen und in 19 Städten und Ortschaften Militärposten unter anderem in Schulen und Krankenhäusern eingerichtet hätten.
Amnesty zitierte einen Anwohner mit den Worten "wir dürfen bei den Entscheidungen des Militärs nicht mitreden, aber den Preis dafür bezahlen wir." Amnesty stellte klar, dass die ukrainische Verteidigungstaktik "in keiner Weise" die "vielen wahllosen Schläge des russischen Militärs mit zivilen Opfern" rechtfertige. Russlands Angriffe bezeichnete die NGO als "Kriegsverbrechen".
Amnesty: Völkerrecht muss eingehalten werden
Dass die Ukraine sich gegen den russischen Angriffskrieg verteidigt, entbinde das Militär des Landes allerdings "nicht von ihrer Pflicht, sich an völkerrechtliche Regelungen zu halten", betonte die Organisation.
Amnesty habe ein "Muster" der ukrainischen Armee dokumentiert, Zivilisten in Gefahr zu bringen und Kriegsrecht zu verletzen, sagte Generalsekretärin Agnes Callamard. Laut dem Amnesty-Bericht hätte es zu den meisten dokumentierten Einsätzen in Wohngebieten andere Standorte gegeben - etwa Militärstützpunkte oder dicht bewaldetes Gebiet. Zudem hätten die Soldaten nicht die Evakuierung von Zivilisten angeordnet, obwohl diese Gefahr gelaufen seien, von russischen Vergeltungsangriffen getroffen zu werden.
Kiew reagiert empört
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba äußerte sich "empört" über die "unfairen" Anschuldigungen. Er warf Amnesty auf seiner Facebook-Seite vor, "ein falsches Gleichgewicht zwischen Unterdrückern und Opfern zu schaffen, zwischen dem Land, das Hunderte und Tausende von Zivilisten, Städten und Gebieten zerstört, und dem Land, das sich verzweifelt selbst verteidigt".
Präsidentenberater Mychailo Podoljak betonte, die Armee ergreife alle Maßnahmen, um Zivilisten in sichere Gebiete zu bringen. "Das Einzige, was Ukrainer bedroht, ist die [russische] Armee von Henkern und Vergewaltigern, die kommen, um Völkermord zu verüben", schrieb er auf Twitter.
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