UN-Konferenz: Durchbruch bei Klimaschutz und Artenschutz?

    UN-Weltnaturschutzkonferenz:Durchbruch bei Klima- und Artenschutz?

    Mark Hugo
    von Mark Hugo
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    Die Weltnaturschutzkonferenz geht kommende Woche in die entscheidende Phase. Am Ende könnte es ein bahnbrechendes Schutzabkommen geben - eines, das auch beim Klimaschutz hilft.

    Natur- und Klimaschutz dürfen nicht mehr getrennt voneinander gesehen werden - diese Überzeugung setzt sich immer mehr durch. "Klimaschutz und der Schutz von Biodiversität sind zwei Seiten derselben Münze", mahnt UNO-Generalsekretär António Guterres. Beides müsse gemeinsam angegangen werden, sagt auch Prof. Almut Arneth, Ökosystemforscherin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Sonst werden wir an beiden Fronten scheitern."

    Senken nehmen Kohlendioxid auf

    Von einer "Zwillingskrise" ist oft die Rede beim Blick auf Klimawandel und Artenschwund. Ein Grund: Intakte Wälder, Savannen, Moore oder Seegraswiesen nehmen tonnenweise Kohlendioxid auf. "Ohne diese Senken wären wir vielleicht schon bei deutlich mehr als zwei Grad Erderwärmung", so Almut Arneth. Schon deshalb müssen sie erhalten und ausgebaut werden. Nebenbei helfen Ökosysteme bei der Anpassung.

    Wälder bieten Schatten und reduzieren Erosion. Feuchtgebiete und Flussauen sind wichtig für Flutregulierung. Mangrovenwälder sind essenziell für Küstenschutz.

    Prof. Almut Arneth, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

    Gleichzeitig gehört der Klimawandel zu den Hauptverursachern des Biodiversitätsverlusts. Lebensräume schwinden oder verändern sich, Arten geraten zum Beispiel durch Dürren, Stürme oder Brände unter Stress. Umso wichtiger sei es, dass die Delegationen in Montreal ein wirkungsvolles Abkommen beschließen. Es wäre das erste seit zwölf Jahren. Der "Vorgänger" ist 2020 ausgelaufen.



    Ein Entwurf liegt bereits auf dem Tisch. Unter anderem sieht er vor:
    • Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresoberfläche unter Schutz gestellt werden. Bisher sind es rund 17 Prozent des Landes und sieben Prozent der Meere.
    • Angedacht ist eine regelmäßige und zuverlässige Berichterstattungspflicht zum Stand der Dinge nach einheitlichen Kriterien. Das wäre wichtig, um Fortschritte vergleichen zu können.
    • Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft soll weltweit um zwei Drittel verringert werden.
    • Die Länder der Welt sollen jährlich 500 Milliarden US-Dollar weniger in umweltschädliche Subventionen stecken.
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    Klima-Verhandlungen auf Ministerebene

    In Schwung könnten die Verhandlungen mit der Ankunft der zuständigen Ministerinnen und Minister aus den 196 Vertragsstaaten am Mittwoch kommen. Für Deutschland ist das Umweltministerin Steffi Lemke. Florian Titze, der das Geschehen vor Ort für den WWF beobachtet, erwartet dennoch ein hartes Ringen bis zuletzt. Ob es klappt, sei völlig offen.

    Leider läuft die Biodiversitätskrise in der Öffentlichkeit und in der Politik immer noch unterm Radar. Dabei ist es eine der großen existenziellen Krisen unserer Zeit.

    Florian Titze, WWF

    Dass der Verlust der Biodiversität gewaltig und kostspielig ist, wissen die Regierungen dabei längst. Nach Daten des Weltbiodiversitätsrates IPBES sind bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, viele davon schon in den nächsten Jahrzehnten. Das Artensterben ist heute mindestens zehn- bis einhundertmal höher als im Schnitt der letzten zehn Millionen Jahre.

    Biodiversität ist für Menschen überlebenswichtig

    Bei Biodiversität geht es aber um mehr als nur einzelne Arten. Sie umfasst das empfindliche Zusammenspiel des gesamten Lebens. Dazu gehört die genetische Vielfalt innerhalb von Arten ebenso wie die von intakten Ökosystemen. Und die sind auch für den Menschen wichtig.

    Fast die Hälfte der Menschheit ist für ihren Lebensunterhalt direkt von natürlichen Ressourcen abhängig.

    Elizabeth Maruma Mrema, Sekretariat der UN-Konvention für Biodiversität

    Ökosysteme bieten Wasser, Nahrung, saubere Luft, sie regulieren das Klima und liefern Rohstoffe etwa für Medikamente. "Es geht hier um die Fundamente der menschlichen Existenz", sagt Maruma Mrema.
    Almut Arneth immerhin ist "vorsichtig optimistisch", dass die Konferenz in Montreal bis zu deren Ende am 19. Dezember liefern wird. Viele Fragen und Formulierungen seien zwar umstritten. "Aber trotzdem denke ich, es wird ein Abkommen geben." Dann idealerweise eines, das mit funktionierenden Mechanismen zur Umsetzung ausgestattet ist.
    Nötig sei "ein Zusammenspiel der globalen Regierungen, die wirksame Regelwerke erlassen", so die Wissenschaftlerin. Gefragt seien aber auch Akteure wie Städte, die Verbraucher, der Finanzsektor und Unternehmen, "die feststellen, dass sich Umweltschutz als Teil des Geschäftsmodells auszahlt."
    Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion

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