Ungarn wählt. Doch ist die Wahl wirklich fair? Die Menschen hören vor allem Orbans Sicht der Dinge. Und das liegt an seiner Medienmacht.
Ministerpräsident Viktor Orbán regiert Ungarn seit Jahren fast im Alleingang. Bei den Wahlen am 3. April 2022 könnte ihm erstmals seit langer Zeit ein Oppositionskandidat gefährlich nahe kommen.
Ungarn steht vor einer wichtigen Wahl: Ministerpräsident Viktor Orban hat ein System aufgebaut, das ihm und seinen Gefährten Geld und Einfluss sichert. Doch die Opposition dringt mit ihren Ideen und Botschaften im Wahlkampf kaum durch - und das liegt an Orbans Medienmacht.
Investigativ-Reporter András Dezsö sagt:
Vetternwirtschaft aufzudecken und populistische Politik zu hinterfragen, wird für die Presse immer schwerer.
Orban kontrolliert die Medien
Beispiel: Während der Corona-Pandemie gab die Regierung Ärzten und Pflegern in den Krankenhäusern einen Maulkorb. Die Regierung selbst bestimmt, wer zu wem sprechen darf. Bis heute weiß man zwar, dass Ungarn pro Kopf die zweithöchste Todesrate in der EU zu beklagen hat - doch über die Lage in den Kliniken weiß man wenig.
Anderes Beispiel: Die Lage an den Tankstellen war jüngst angespannt, weil Orban angesichts steigender Benzinpreise einen Preisstopp verfügte. Manche Tankstellen standen deshalb vor dem Ruin. Der Innenminister Sandór Pintér drohte Journalisten mit der Polizei, sollten sie über die Lage an den Tankstellen nicht so berichten, wie die Regierung Orban sich das wünscht.
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Orbans Medienmacht beeinflusst Wahlentscheidung
Das alles ist kein Zufall. Orban schloss aus einer verlorenen Wahl 2002: Er müsse die Medien kontrollieren, um an der Macht zu bleiben. Daraus hat er Lehren gezogen. Praktisch alle Radio-Sender senden heute Orban-freundlich. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat er zum Staatspropagandasender gemacht. Dort kam der Oppositionskandidat in vier Jahren ganze fünf Minuten zu Wort.
Orban-freundliche Unternehmer haben Zeitungen und Online-Portale gekauft - und auf Orban-Linie gebracht. Vor allem in der Provinz sehen und hören die Leute den ganzen Tag Orban und wie er die Welt sieht. Das beeinflusst auch die Wahlentscheidung. Der Gründer von direkt36.hu András Pethö sagt es so:
Hunderte Redaktionen wurden in eine regierungsnahe Medienstiftung eingegliedert. Der Mérték Medien Monitor konstatiert: Die Fidesz-Regierung unter Orbans Führung sei "eine dunkle Periode für Medienfreiheit in Ungarn." Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt das Land auf Platz 92 der Rangliste der Pressefreiheit.
ZDF-Korrespondentin Britta Hilpert über das "System Orban".
Finanzierung für unabhängige Redaktionen schwierig
Unabhängige Redaktionen kämpfen in Ungarn mit der Finanzierung. Lukács Csaba, Verleger der Zeitung "Magyar Hang" ("Ungarische Stimme"), berichtet davon, wie schwer es sei, von Konzernen, die in Ungarn tätig sind, Werbeanzeigen zu bekommen. Auch deutsche Firmen weigerten sich.
"Wir bekommen keine Anzeigen von internationalen Unternehmen, weil sie Geschäfte mit der Regierung machen. Und die wollen sie nicht aufs Spiel setzen. Ich hatte darüber eine sehr ehrliche Diskussion mit dem Leiter einer großen deutschen Autofirma in Ungarn."
Menschen haben Angst Interviews zu geben
Immer wieder berichten uns Reporter, dass sie es schwer haben, ihre Arbeit zu machen, weil viele Leute lieber den Mund halten als Interviews zu geben: aus Angst vor Repressionen und dem langen Arm Viktor Orbans.
Investigativ-Reporter Szabolcs Pányi, den die Regierung mit der Pegasus-Software abhörte, spricht von einem "chilling effect", einer Atmosphäre der Einschüchterung und der Selbstzensur.
Online-Berichterstattung als Chance für Journalismus
Das System Orban hat auch die Medienlandschaft fest im Griff. Eines immerhin habe die desaströse Lage Gutes erreicht, bilanziert Reporter András Dezsö: Die unabhängigen Blätter seien besser geworden, brächten bessere Stories.
Gerade online ändert sich was: Unabhängiger Journalismus hat in Ungarn vor allem dort eine Chance für Berichterstattung.