Bei der Parlamentswahl in Ungarn steht Viktor Orban erstmals seit zwölf Jahren eine geeinte Opposition gegenüber. Umfragen zufolge sind viele Wähler unentschlossen.
Die schöne Stadt Budapest verliert dieser Tage ein wenig von ihrem Charme: Sie ist vollgehängt mit grellfarbigen Wahlplakaten, es überwiegt das Orange der Orban-Partei Fidesz. Das Konterfei des Ministerpräsidenten prangt zudem auf zahlreichen "Informationsplakaten", die die Regierung in Auftrag gegeben hat und die die Steuerzahler bezahlen. Nur ein Beispiel dafür, wie in Ungarn Regierungs- und Parteigeschäft vermischt werden.
Kontrolle als Leitmotiv von Wahlkampf und Regierung
Es ist ein ebenso verbissener, wie ungleicher Wahlkampf, bis zur letzten Minute. Der Orban-Herausforderer Peter Marki-Zay mobilisiert noch am Samstagnachmittag seine Anhänger in der Hauptstadt, in seiner Hochburg. Der Amtsinhaber Viktor Orban zieht derweil über die Dörfer, trifft nur eingeladene Anhänger, gefilmt nur von der regierungsnahen Presse oder dem eigenen PR-Team. Kontrolle ist das Leitmotiv von Wahlkampf und Regierung: In zwölf Jahren hat er ein System geschaffen, das alles darauf ausrichtet, ihm die Macht zu erhalten.
Orban führt in Umfragen mit zwei oder mehr Prozentpunkten, je nach Institut, aber schon mit kleinem Vorsprung kann er große Wirkung entfalten. Denn das ungarische Wahlrecht wurde in seiner Regierungszeit so geändert, dass es Orbans Fidesz nutzt.
Neues ungarisches Wahlrecht könnte Opposition behindern
Die Wahlkreise entsprechen nun Fidesz-Bedürfnissen. Ein Mehrheitswahlrecht sorgt dafür, dass die relativ stärkste Partei das Mandat bekommt - auch wenn es weit unter 50 Prozent sind. Das heißt: Je fragmentierter die Opposition, desto besser für Fidesz. Letztes Mal hat unter anderem das dafür gesorgt, dass Orban mit knapp 49 Prozent der Stimmen im Parlament die Zweidrittelmehrheit erhielt, mit der er die Verfassung änderte.
Doch nun ist die Opposition fast geeint: Sechs Parteien von ganz rechts bis links haben sich auf jeweils einen Kandidaten pro Wahlkreis geeinigt und einen Spitzenkandidaten Marki-Zay. Was sie zusammen hält, ist vor allem das Ziel, Orban abzuwählen. Marki-Zay selbst bezeichnet das als politischen "Albtraum", aber ein noch größerer Albtraum, so sagt er uns, wäre es, wenn Orban seine Regierung fortsetze.
Presse in Ungarn durch Orban kontrolliert
Doch die Opposition hat auch vereint schlechtere Chancen. Denn Justiz und Verwaltung sind auf Orban ausgerichtet und rund 80 Prozent der Presse sind dominiert von Orban-Vertrauten. Es gibt beispielsweise kein frei empfängliches regierungskritisches Radio mehr. Regierungskritisches hört die Mehrheit der Ungarn also kaum.
So gelingt es, den Ukraine-Krieg für Orban medial auszunutzen: Vor dem Krieg war Orban stolz auf Kooperationen mit Russland, im Energiesektor, im Finanz- und Transportwesen. Doch nun heißt es, es gäbe gar keine engen Verbindungen. Kritik an der Weigerung, Waffenlieferungen aus oder über Ungarn zuzulassen, kontert die Regierung so: Man wolle nur vermeiden, dass Ungarn zur Zielscheibe Russlands würde.
Auf Facebook zeigt sich Orban jetzt in Flüchtlingszentren, lobt die Hilfsbereitschaft und betont, dass dies ja andere Flüchtende seien als 2015: keine angeblich "illegalen Migranten", diesmal helfe man Nachbarn. Das sei keine Kehrtwende gegenüber damals.
Verbreitung von Desinformationen über Herausforderer Marki-Zay
Die Ungarn sind verunsichert durch den Krieg, und viele wünschen sich Stabilität und Sicherheit - Orban verspricht genau das. Der Amtsinhaber-Bonus wird aber noch verstärkt, indem Fidesz-Wahlkämpfer verbreiten, Herausforderer Marki-Zay wolle ungarische Soldaten in den Krieg schicken - was der nie gesagt hat.
Ministerpräsident Viktor Orbán regiert Ungarn seit Jahren fast im Alleingang. Bei den Wahlen am 3. April 2022 könnte ihm erstmals seit langer Zeit ein Oppositionskandidat gefährlich nahe kommen.
Die Schlagseite zum Vorteil von Orban bemängelte die OSZE schon nach der letzten Wahl. Ihre Empfehlungen wurden aber "größtenteils nicht umgesetzt". Sie entsendet deshalb erstmals ein rund 200 Personen starkes Beobachter-Team. Das zeigt: Bei dieser Wahl geht es um mehr als eine Wahl. Es geht auch um die Frage, ob die Demokratie in Ungarn - und damit auch in der EU - weiter auf dem Rückzug ist.
- Es geht um Kontrolle
Ungarn wählt. Doch ist die Wahl wirklich fair? Die Menschen hören vor allem Orbans Sicht der Dinge. Und das liegt an seiner Medienmacht.