Handelskonflikt? Das "America-First"-Problem der EU

    Handelskonflikt mit den USA?:Das "America-First"-Problem der EU

    Florian Neuhann
    von Florian Neuhann, Brüssel
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    Wie EU-Vertreter plötzlich aufwachen - und merken, dass auch für Joe Biden die Devise "America first" gilt. Und wie Europa um Antwort auf die US-Subventionen ringt. Eine Analyse.

    Am verwunderlichsten ist vielleicht die Verwunderung. Das kollektive Augenreiben und Stirnrunzeln, das Brüssel wie viele andere Hauptstädte Europas dieser Tage ergreift: Moment - auch Joe Biden, der nach Auffassung vieler der Transatlantischste aller US-Präsidenten der letzten Jahrzehnte ist, denkt im Zweifel zuerst an sein eigenes Land? Echt jetzt?
    Es wirkt, als hätten sie in Europa tatsächlich anderes wartet. Als hätten sie ernsthaft geglaubt, dass Biden mehr auf die Interessen der europäischen Industrie achtet als auf die Zustimmung seiner eigenen Wähler. Und so erlebt Europa dieser Tage ein brutales Aufwachen.

    Legten die USA den Grundstein für einen Handelskonflikt?

    Als Joe Biden sein Mega-Subventionspaket für E-Autos im August unterschrieb, da twitterte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch: Sie begrüße die Unterschrift. "Damit legen unsere amerikanischen Partner den Grundstein für eine saubere Energiewirtschaft in den USA".
    Ursula von der Leyen auf Twitter
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    Erst langsam dämmerte ihnen in Brüssel, dass die Partner in Washington damit womöglich auch den Grundstein legen für einen veritablen Handelskonflikt. Mit Subventionen, die an das Produzieren in den USA geknüpft sind - und damit europäische Autohersteller massiv benachteiligen. Oder sie dazu verleiten, wie bereits geschehen, Investitionen in Europa zu überdenken und stattdessen Fabriken in den USA zu planen.

    EU-Vertreter mit Floskeln abgespeist

    Wie Bittsteller reisen EU-Vertreter dieser Tage nach Washington. Vergangene Woche Frankreichs Präsident, diese Woche die EU-Kommissare Valdis Dombrovskis und Margrethe Vestager. Um ihrer "Sorge" Ausdruck zu verleihen. Dass es für solche Gespräche immerhin ein Gremium gibt, den EU-US-Handels- und Technologie-Rat, ist ein schwacher Trost.
    Denn bisher zumindest werden die Europäer in Washington bloß mit höflichen Floskeln abgespeist: mit "verbaler Offenheit bei weitgehender Verhaltensstarre", um einen berühmten Ausdruck des verstorbenen Soziologen Ulrich Beck zu zitieren (den dieser freilich in anderem Zusammenhang nutzte).

    Die EU "hofft"

    Man reise "leicht optimistischer" ab, ließ sich Valdis Dombrovskis, der für Handel zuständige Vize der EU-Kommission, nach den Gesprächen von Montagabend vernehmen. Und untertänig wird in der Pressemitteilung der EU-Kommission anschließend formuliert:

    Die EU hofft, dass die USA ihre Bedenken konstruktiv aufgreifen werden.

    Pressemitteilung der EU-Kommission

    Doch ohnehin ist die Frage, wie Europa im Ernstfall reagiert, alles andere als geklärt. Wie so oft zerfällt die EU in Lager, die direkt ihre Lieblingsideen nach vorn stellen. Da sind Franzosen, die ohnehin auf staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik setzen und nun von "Buy European"-Subventionspaketen träumen. Da sind EU-Vertreter wie Ursula von der Leyen, die gern neue EU-Schulden aufnehmen wollen für einen "Souveränitätsfonds". Und da sind Deutsche, die zu allem erstmal Nein sagen – und auf das Einlenken der Amerikaner hoffen.
    Derweil ist allen drei Lagern klar, dass Europa sich einen Handelskonflikt mit den USA (das Wort "Handelskrieg" wirkt angesichts des realen Kriegs in Europas Nachbarschaft leicht deplatziert) kaum leisten kann. Es sind die USA, die finanziell wie militärisch für Europa in der Ukraine die Kohlen aus dem Feuer holen.
    Und so ist Europa im Verhältnis zur US-Regierung von Joe Biden zwar aufgewacht: aber auch in wachem Zustand noch ziemlich ratlos.

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