Die Wahlleute votieren heute für den neuen US-Präsidenten. Trump will das Votum anfechten, das seine Wahlniederlage besiegelt. Welche Chance hat er, Biden jetzt noch aufzuhalten?
In jedem normalen Wahljahr ist der heutige Termin gar nicht der Rede wert. Die 538 Wahlleute aus allen 50 US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington geben ihre Stimmen ab und küren so den nächsten US-Präsidenten.
Hintergrund ist eine Besonderheit des US-Wahlsystems, das vorsieht, dass der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt wird, sondern von eben jenem Kollegium aus Wahlleuten. Für welchen Kandidaten sie stimmen, richtet sich nach dem Wahlergebnis in dem jeweiligen Bundesstaat. Einzelne Abweichler gibt es immer wieder, aber den Wahlausgang haben sie bisher noch nie beeinflusst.
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Rechtsweg für Trump weitgehend ausgeschöpft
Doch dieses Jahr ist eben kein normales Wahljahr. Donald Trump will seine Niederlage partout nicht akzeptieren. Mit endlosen Gerichtsverfahren versuchen er und seine Anwälte das Wahlergebnis entgegen dem Willen des Volkes zu seinen Gunsten zu wenden. Erfolg hat er damit bisher nicht.
Mehr als 50 Verfahren in verschiedenen Bundesstaaten hat er bereits verloren. Am vergangenen Wochenende hat auch der oberste Gerichtshof der USA eine Klage abgewiesen, in die das Trump-Lager große Hoffnungen gesetzt hatte. Der Rechtsweg scheint damit weitgehend ausgeschöpft.
Der texanische Justizminister hatte gegen das Wahlergebnis in vier Bundesstaaten geklagt. Der Supreme Court lehnte nun die Klage ab – eine weitere Niederlage für das Trump-Lager.
Donald Trump aber gibt nicht auf. Auf Twitter kritisiert er die Entscheidung der obersten Bundesrichter scharf und kündigt an: “Der Kampf hat gerade erst begonnen!!!”
Einspruch im Kongress
In der Theorie bleibt Trump noch eine Möglichkeit, das Ruder herumzureißen. Am 6. Januar muss laut Verfassung das Votum der Wahlleute von beiden Kammern im US-Kongress, der aus Repräsentantenhaus und Senat besteht, bestätigt werden. Darin sieht Trump offenbar seine Chance.
Denn jeder einzelne Abgeordnete im Repräsentantenhaus hat das Recht, gegen das Wahlergebnis eines jeden Staates Einspruch einzulegen. Wenn ein solcher Einspruch die Unterstützung eines Senatsmitgliedes findet, dann sind beide Kammern gezwungen, getrennt voneinander über den Einspruch abzustimmen. Falls beide Kammern dem Einspruch stattgeben, werden die Stimmen der Wahlleute aus dem betroffenen Staat für ungültig erklärt.
Es dürfte Trump nicht schwerfallen, Abgeordnete zu finden, die einen solchen Einspruch erheben. 126 republikanische Mitglieder des Repräsentantenhauses haben die jüngste Klage vor dem Supreme Court unterstützt und sich damit klar auf die Seite des Präsidenten gestellt.
Mo Brooks, Abgeordneter aus Alabama, hat gegenüber diversen US-Medien bereits erklärt, er plane am 6. Januar entsprechende Einsprüche vorzubringen. Auch dass Trump-Loyalisten im Senat, wie beispielsweise Ted Cruz aus Texas, einen solchen Einspruch unterstützen würden, scheint durchaus vorstellbar.
Mitt Romney: "Das ist Wahnsinn"
Aber dann wird es schwierig. Denn im Repräsentantenhaus haben die Demokraten die Mehrheit. "Das Repräsentantenhaus wird einen solchen Einspruch zweifellos ablehnen", sagt der demokratische Abgeordnete Jamie Raskin am Freitag im US-Fernsehen.
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney aus Utah erteilte dem Vorhaben, das Wahlergebnis im Kongress zu kippen, schon im Vorhinein eine klare Absage:
Donald Trumps Vorhaben, die Wahl am 6. Januar im Kongress noch für sich zu entscheiden, erscheint damit so gut wie aussichtslos.
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