Ex-FBI-Chef James Comey fürchtet, dass es Jahre dauern wird, bis sich die USA von Donald Trump erholt haben. Doch auch Trump werde einiges zu tun haben, sagt er im ZDF-Interview.
Die Bedrohungslage bleibe ernst: Millionen hätten das "Gift der Lüge" in sich, sagt James Comey.
Der ehemalige FBI-Chef James Comey wurde 2017 von Doland Trump gefeuert, weil er die Ermittlungen zur Russland-Affäre nicht beenden wollte. Comey ist ein routinierter Jurist, der nach 30 Jahren Arbeit im US-Justizsystem auch Erfahrungen mit der Mafiaverfolgung in New York hat. Nach seinen Begegnungen mit Donald Trump sagte Comey, es hätte sich so angefühlt, als würde er einem Mafiaboss gegenübersitzen. Im ZDF-heute journal zieht er Bilanz:
heute journal: Das Problem mit der Mafia ist, dass wenn sie sich einmal festgesetzt hat, man sie schwer wieder los wird. Würden Sie das auf Donald Trump politisch übertragen?
James Comey: Wir sind ihn heute losgeworden und das ist ein großartiger Tag in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Aber es wird noch Jahre dauern, bis wir den Nebel der Lügen, die er verbreitet hat, los werden. Das hat Millionen von Amerikanern geprägt.
Am Mittwochmorgen, kurz nach acht Uhr Ortszeit, hat Donald Trump das Weiße Haus verlassen - zum letzten Mal als Präsident.
heute journal: Und Millionen von republikanischen Anhängern glauben ja immer noch, dass ihnen die Wahl gestohlen wurde. Wie kann man zu diesen Menschen durchdringen?
Comey: Man dringt nicht durch, indem man sie anschreit: "Ihr seid Idioten!" Nein, man lebt ihnen vor, was kompetente Führung bedeutet und das hat heute Mittag, 12 Uhr in Washington begonnen. Ich bin optimistisch, dass es Millionen von Amerikanern helfen wird, den Nebel hinter sich zu lassen, ohne sich schlecht zu fühlen, ohne sich eingestehen zu müssen, dass sie hintergangen wurden.
Denn Tausende Amerikaner haben immer noch dieses Gift in sich und man wird ihre Einstellung nicht so schnell ändern können.
"Trump hat zu viel gelogen und betrogen"
heute journal: Glauben Sie, dass wir große Gerichtsprozesse gegen Donald Trump erleben werden, in denen es auch um Betrug oder Korruption gehen wird?
Comey: Das denke ich sicherlich. Sein Abgang wird nicht sehr still sein, denn er wird sehr viel in Gerichten erscheinen. Er hat einiges begangen, bevor er Präsident wurde, es gibt Anschuldigungen von Frauen, von Menschen, die er belogen, die er betrogen hat. Er wird einiges zu tun haben. Es wird genug Anwälte geben, die gegen ihn vorgehen werden.
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Könnte Trump sich vor der Justiz schützen?
Ob Trump sich selbst hätte begnadigen können, ist umstritten.
Keine Bürgerkriegsphantasien
heute journal: Präsident Biden sprach heute in seiner Rede von einem "uncivil war", also einem unzivilisierten Krieg, wenn man es wörtlich übersetzt. Aber es ist natürlich auch ein Wortspiel, in dem dieses furchtbare Wort "Bürgerkrieg", vor dem alle Amerikaner Angst haben, auftaucht. Haben Sie beim Sturm auf das Kapitol letzte Woche, als Sie diese Bilder sahen, diese Angst zwischendurch gehabt?
Comey: Nein, aber ich hatte doch gewisse Sorgen.
Aber ich habe nicht gedacht, dass dies der Beginn eines Bürgerkrieges sei. Amerika ist zu groß, zu vielfältig, so etwas geschieht nicht so schnell. Aber es war sehr beunruhigend.
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Ausschreitungen im US-Kapitol
Am 6. Januar stürmten aufgebrachte Menschen das Kapitol, während drinnen Abgeordnete Joe Biden zum Präsidenten erklärten. Was ist seit dem passiert?
heute journal: Sie waren selbst lange Mitglied der republikanischen Partei, haben sich dieser Partei auch nahe gefühlt. Wie wird es für die Republikaner weitergehen? Wie ist Ihre Einschätzung? Wird sich die Partei spalten?
Comey: Die republikanische Partei der USA im gegenwärtigen Zustand muss abgerissen werden und neu aufgebaut werden. Ich sehe keine klare Zukunft, ich kann es mir nicht vorstellen.
Ähnlich wie bei Lincoln, als er die Partei gründete, in den 1850er Jahren. Wir werden wahrscheinlich eine ähnliche Aufteilung sehen, zwischen den Prinzipientreuen und den Trumpisten und wie das ausgeht, weiß aktuell keiner.