Twitter hat Trumps Account gesperrt, um Gewalt zu verhindern. Soziale Medien seien aber nur der Katalysator und nicht der Auslöser der Gewalt, warnt eine Soziologin.
Trump kann nicht mehr twittern - die Plattform hat das Benutzerkonto des scheidenden Präsidenten als Reaktion auf den Sturm aufs Kapitol gesperrt. Trump soll dort nicht mehr zu Gewalt anstacheln können. Ist also jetzt Ruhe? Die Soziologin Anna-Katharina Meßmer warnt, die Rolle der sozialen Medien bei der Mobilisierung der Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump zu überschätzen.
Ein Zusammenspiel mit klassischen Medien
"Trumps Reichweite lag nicht allein an Twitter", sagt die Projektleiterin Digitale Nachrichten- und Informationskompetenz bei der gemeinnützigen Denkfabrik "Stiftung Neue Verantwortung". Es sei vielmehr ein Zusammenspiel mit den klassischen Medien gewesen. Trump habe es wie kein anderer verstanden, diese für sich zu nutzen.
"Die sozialen Medien sind nicht Auslöser für Ausschreitungen wie vor dem Kapitol, sondern ein nicht zu unterschätzender Katalysator", sagte Meßmer.
Ursache liegt bei gespaltener Gesellschaft
Radikalisierungsursachen seien hingegen ungelöste gesellschaftliche Spannungen. In den USA fühlten sich weiße Extremistinnen und Extremisten durch Trump und seine Botschaften neu legitimiert. Diese gesellschaftliche Entwicklung sei auch an dem unterschiedlichen Umgang der Polizei mit den Anhängern Trumps und den Demonstrierenden der "Black-Lives-Matter"-Bewegung deutlich geworden.
Forderungen, Plattformen wie Twitter oder Facebook hätten Trumps Konten schon früher sperren müssen, hält Expertin Meßmer für schwierig. "Das ist keine triviale Abwägung: Kann man einen demokratisch gewählten Präsidenten von einer medial relevanten Plattform löschen?", fragte sie.
Radikalisierung bei Telegram
Zugleich hätten die Anbieter der sozialen Medien selbst erst viel zu spät eingesehen, dass sie als Informationsstruktur maßgeblichen Einfluss auf das Funktionieren einer Demokratie hätten. Würden Konten jetzt gesperrt, würde im Endeffekt aber nur Schadensbegrenzung betrieben. Grundsätzlich müssten die großen und etablierten Social-Media-Unternehmen durch bessere Plattformregulierung in die Verantwortung genommen werden, forderte Meßmer.
Zugleich müsse auch an anderen Stellen wie den Ursachen von Radikalisierung und der digitalen Nachrichtenkompetenz der Menschen angesetzt werden. Eine relativ neue Gefahr sei das sogenannte Dark Social Net, bestehend aus Messenger-Plattformen wie Telegram, sagte die Soziologin. Diese seien viel undurchsichtiger als das, was auf öffentlichen Facebook- und Twitter-Accounts zu lesen sei.
Während den Behörden zum Beispiel die Aufrufe bei Twitter, das Kapitol zu stürmen, bekannt waren, wisse niemand genau, was im Dark Social Net passiere. "Dort gibt es ein viel höheres Potenzial zur nicht sichtbaren Radikalisierung und Mobilisierung", warnte sie.