Jahrzehntelang gab es von US-Demokraten kaum Kritik an der israelischen Regierung. Das änderte sich während des jüngsten Gewaltausbruchs. Ein Experte erklärt, wie es dazu kam.
Der linke Flügel der demokratischen Partei macht in Sachen Nahost-Konflikt weiter Druck auf US-Präsident Joe Biden. Alexandria Ocasio-Cortez sagte bei einer Veranstaltung in New York:
Die Waffenruhe sei nur "ein erster Schritt". Das allein ist keine Überraschung. Ocasio-Cortez hatte Israels Politik schon in der Vergangenheit kritisiert. Überraschend aber ist der Ton, den einige Demokrat*innen im US-Kongress anschlagen. Und dass sie scheinbar einen Nerv treffen. In den sozialen Netzwerken trendete #PalestinianLivesMatter, in Anlehnung an die Bewegung Black Lives Matter.
Demokraten bezeichnen Israel als Apartheidsstaat
"Apartheidsstaaten sind keine Demokratien", schrieb Ocasio-Cortez vor einigen Tagen auf Twitter. Den Begriff nutzten auch die Kongressbgeordneten Cori Bush, Ilhan Omar und Rashida Tlaib. Eine solch deutliche Israelkritik war in der demokratischen Partei und insgesamt in den USA lange ein Tabu.
Und sie steht im deutlichen Kontrast zu dem eher zurückhaltenden Vokabular, das US-Präsident Joe Biden nutzt. Immer wieder betonte er das Selbstverteidigungsrecht Israels. Auch wenn er gegenüber dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu schließlich zu einer Waffenruhe mahnte, so machte er doch klar, dass die USA nach wie vor an der Seite Israels stehen. Viele seiner Parteikolleg*innen äußerten sich ähnlich.
Linke wollen Waffenverkäufe unterbinden
Doch der Druck von links wächst. Einige Demokrat*innen forderten konkrete politische Konsequenzen für die israelische Regierung. Sie brachten eine Resolution im Kongress ein, die den Verkauf von Waffen an Israel in Höhe von 735 Millionen Dollar unterbinden sollte.
"Die US-amerikanische Israel-Politik ändert sich allmählich", sagt Michael O’Hanlon, Außenpolitik-Experte am Brookings-Institut.
Aus O’Hanlons Sicht hat das vor allem zwei Gründe. Der erste, ein historischer: Harry Truman unterstütze 1948 die Gründung des Staates Israel - ein Demokrat. Das verband die demokratische Partei mit Israel und mit jüdischen US-Amerikaner*innen. Die machen zugleich eine mächtige Wählergruppe aus: Etwa 7,5 Millionen Jüdinnen und Juden leben in den USA.
Demokratische US-Präsidenten verfolgten seitdem eine Israel-freundliche Politik, so O‘ Hanlon. Einige republikanischen Präsidenten, Dwight D. Eisenhower während der Suez-Krise etwa, später George W. Bush, schlugen hingegen auch mal einen schärferen diplomatischen Tonfall an.
Gute Beziehungen zwischen Trump und Netanjahu
Der zweite Grund hat laut O'Hanlon mit Bidens Vorgänger Donald Trump zu tun. Der Ex-Präsident erkannte Jerusalem als Israels Hauptstadt an und verlegte die US-Botschaft dorthin. Netanjahu konnte auf seine Unterstützung zählen.
Auch sei der linke Flügel der demokratischen Partei selbstbewusster geworden. Trump habe immer gesagt, was er denkt, sei alles andere als moderat gewesen. "Das hat viele Demokrat*innen dazu gebracht, zu sagen: Hört zu, wir werden jetzt auch sehr deutlich sagen, woran wir glauben!"
Laut einer Umfrage des Instituts Gallup sind 53 Prozent der demokratischen Wähler dafür, dass die USA Druck auf Israel ausüben, um den Nahost-Konflikt zu lösen. 2008 waren es nur 33 Prozent.
Kein Einfluss auf Biden?
Biden verwehrt sich bislang dem Eindruck, dass er sich von seinen linken Parteikolleg*innen beeinflussen ließe. Doch sein Außenminister Anthony Blinken wies während seines Besuchs in Israel und den Palästinensergebieten ebenfalls auf die zivilen Opfer hin.
Ein Satz, der gar nicht so anders klingt, wie der von Alexandria Ocasio-Cortez bei der Bürgerversammlung. Blinken kündigt an, die humanitäre Hilfe für Palästinenser*innen werde auf 360 Millionen Dollar erhöht.
Für den Außenpolitik-Experten O’Hanlon ein Zeichen, dass sich auch die Position in der US-Regierung leicht verändert hat. Und damit auch die zweier Spitzen-Demokraten.
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- "Biden wurde auf dem falschen Fuß erwischt"
Die Gewalt im Nahen Osten geht weiter - ohne Ende in Sicht. Jetzt versuchen die USA, zu vermitteln. Doch die Biden-Regierung steht ausgerechnet für diesen Konflikt ohne Plan da.