Die US-Regierung warnt, Russland sei bereit für den Einmarsch in die Ukraine. Mit dem Nationalen Sicherheitsrat will US-Präsident Biden heute über die Krise beraten.
"Was gibt's Neues zur Ukraine, Mr. President?", ruft ein Journalist Joe Biden zu, als der ein Restaurant in Washington verlässt, in dem er seine Enkelinnen zum Mittagessen getroffen hat. "Schön, euch zu sehen", antwortete der US-Präsident. Mehr sagte er nicht.
Er hatte ja am Freitagnachmittag schon genug gesagt. Außerdem sind mehrere Mitglieder seiner Regierung in Europa unterwegs, wiederholen in ihren eigenen Worten die Warnung des Präsidenten: Die russische Invasion steht kurz bevor.
Biden plant Sitzung mit Nationalem Sicherheitsrat
Am Samstagabend (Ortszeit) dann doch noch eine Meldung aus dem Weißen Haus. Für Sonntag sei eine Sitzung des US-Präsidenten mit dem Nationalen Sicherheitsrat angesetzt, heißt es in einer Mitteilung der Pressesprecherin Jen Psaki.
In den vergangenen Tagen wurden die Warnungen aus Washington immer eindringlicher. Am Freitag schloss Biden dann sogar einen Angriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew nicht aus.
Austin: Russland bereit zuzuschlagen
Pentagon-Chef Lloyd Austin sagte bei einem Besuch in Litauen, die russischen Truppen bewegten sich in die richtigen Positionen, um einen Angriff durchführen zu können.
Dennoch sollten die diplomatischen Bemühungen bis zur letzten Minute fortgesetzt werden. Solange bis es nicht mehr geht, sagte der US-Verteidigungsminister.
Währenddessen ist der Osten der Ukraine längst unter Beschuss. Dort verschärfte sich der Konflikt zwischen von Russland unterstützten Separatisten und ukrainischer Armee. Laut ukrainischer Armee soll es 70 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Zwei Soldaten wurden demnach getötet.
Schüsse auf CNN-Team
Einer dieser Verstöße wurde von einer Kamera eingefangen: Ein Team des US-Senders CNN begleitete den ukrainischen Innenminister bei einer Tour entlang der Frontlinie in Donezk, als Schüsse fallen. Verletzt wurde niemand.
Das Artilleriefeuer in der Ostukraine und die Flucht tausender Einwohner*innen Richtung Russland - aus US-Sicht ist das der Beweis für die russische Strategie, die man seit Wochen zu entlarven versucht. Denn die Separatisten behaupten, es handele sich um einen großangelegten Angriff der ukrainischen Regierung. Diese Narration könne Russlands Präsident Wladimir Putin für eine Invasion nutzen.
Die "New York Times" listete am Samstag eine Reihe von Zwischenfällen auf, die Russland als "False Flag"-Aktion nutzen könnte. So gerieten etwa Lagertanks für Giftgas unter Beschuss. Eine Explosion könnte eine giftige Wolke erzeugen, die als Vorwand für eine russische Invasion dienen könnte, so die Einschätzung.
Harris versichert Ukraine territoritale Integrität
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz versicherte Vizepräsidentin Kamala Harris dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die USA nähmen die "territoriale Integrität und Souveränität" der Ukraine sehr ernst.
Selenskyj wehrte sich in München erneut gegen die "Panik“, die die US-Regierung mit ihren Warnungen vor einer bevorstehenden Invasion schüre.
Selenskyj fordert konkrete Sanktionen
Gleichzeitig forderte er die Nato-Partner auf, einen konkreten Sanktionskatalog vorzulegen. Bislang versprechen die USA nur, Russland mit weitreichenden Sanktionen zu belegen, sollten russische Truppen in die Ukraine einmarschieren. Was das im einzelnen heißt, bleibt aber unklar. Zustimmung kommt von republikanischen Kongressabgeordneten.
Seltene politische Einigkeit in den USA
Bis auf den Vorwurf der Schwäche, den die Republikaner dem US-Präsidenten bei jeder sich bietenden Gelegenheit machen, wirken die politischen Lager in Washington seltsam einig, wenn es um den Konflikt um die Ukraine geht. Auch in den Medien werden wenig Zweifel geäußert an den sich seit Wochen wiederholenden Warnungen, eine Invasion stehe "kurz bevor".
Der Feind, der Aggressor, ist Putin, da ist man sich einig. Wenn er angreift, soll kein Zweifel bestehen, dass die USA alles versucht haben, um einen Krieg zu verhindern.