E-Autos: Droht Europa ein neuer Handelskonflikt mit den USA?

    Interview

    Förderung für E-Autos:Droht ein neuer Handelskonflikt mit den USA?

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    "Die Frage wird sein, wie viele Autos noch in Deutschland produziert werden": Der Ökonom Felbermayr über europäische Sorgen angesichts von Milliarden-Subventionen in den USA.

    Autos von Volkswagen stehen für den Export in Schutzhüllen am Hafen von Emden in Niedersachsen.
    Europäische Autohersteller fürchten Nachteile bei Exporten in die USA.
    Quelle: Sina Schuldt/dpa

    Es ist ein gigantisches Paket, das die meisten Rettungsschirme weltweit in den Schatten stellt: Der "Inflation Reduction Act" von US-Präsident Joe Biden. Mit mehr als 400 Milliarden US-Dollar unterstützt die Biden-Regierung klimaneutrale Technologien. Auf den ersten Blick: ein Grund zu Freude, zu Lob auch von europäischen Partnern.
    Doch eine Passage in dem Mega-Paket erzürnt Politiker quer durch alle EU-Staaten. Künftig sollen in den USA nur noch jene Elektroautos in den Genuss der üppigen Förderung von bis zu 7.500 US-Dollar kommen, die auch in den USA zusammengebaut werden.
    Europäischen Autoherstellern droht das Nachsehen, dem Standort Europa ein massiver Schaden. Und europäische Politiker schießen mit scharfen Worten gegen die neue "America-First"-Strategie: Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire spricht in Brüssel von "tiefer Sorge" seiner Regierung - und fordert eine "sehr geeinte und sehr starke Antwort Europas".
    Das klingt beinahe wie zu Zeiten von Donald Trump, als der damalige US-Präsident 2018 Strafzölle auf Stahlimporte aus Europa erhob. Droht ein neuer Handelskrieg zwischen Europa und den USA? Und was genau könnte Europa eigentlich tun? Fragen an den Ökonomen Gabriel Felbermayr.
    ZDFheute: Herr Professor Felbermayr, droht da ein neuer Handelskrieg?
    Gabriel Felbermayr: Ich glaube, da müssen wir verbal dringend abrüsten: Einen Handelskrieg haben wir mit Russland. Mit den USA hatten wir Handelskonflikte, etwa bei Stahl und Aluminium oder im Bereich der Flugzeugindustrie.
    Und ja: Wenn europäische Automobilhersteller nun de facto ausgeschlossen werden vom amerikanischen Markt, jedenfalls mit ihren Exporten aus Europa heraus, dann werden wir ebenfalls einen ernsten politischen Konflikt erleben - aber keinen Handelskrieg.

    ... gehört zu den führenden Wirtschaftswissenschaftlern im deutschsprachigen Raum. Von 2019 bis 2021 war er Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, seit Oktober 2021 leitet er das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung. In Deutschland ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums.

    ZDFheute: Ein Konflikt also - wieviel Sorge sollte der uns bereiten?
    Felbermayr: Erhebliche. Die deutsche Automobilindustrie steckt in einem massiven Umbau, und die Frage wird sein, wieviel deutsche Autos überhaupt noch in Europa oder Deutschland gebaut werden können. Die Industrie kann ihre Autos auch in den USA herstellen - das ist aus europäischer Perspektive aber nicht wünschenswert.

    Deswegen ist die Vehemenz, mit der europäische Politiker hier protestieren, nachvollziehbar.

    Gabriel Felbermayr, Wirtschaftswissenschaftler

    ZDFheute: Glauben Sie denn ernsthaft, dass US-Präsident Biden dieses Mega-Paket nochmal aufschnüren wird?
    Felbermayr: Komplett aufschnüren ist sicher nicht nötig. Es hängt ja von vielen Details ab, etwa wie Wertschöpfungsanteile definiert werden. Wenn man hier zu einer Einigung kommt, dass auch Wertschöpfung in Europa zumindest teilweise angerechnet werden kann, dann wären wir schon erheblich weiter.
    ZDFheute: Erste europäische Politiker drohen mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO, wäre das sinnvoll?
    Felbermayr: Ja - wenn auf dem Verhandlungsweg kein Erfolg erzielt werden kann, dann wird man vor der WTO klagen. Die WTO ist allerdings eine Organisation, die sehr lange braucht. Nur zur Erinnerung: Der Streit zwischen Europa und USA über Subventionen für die Flugzeugbauer hat 17 Jahre gedauert, und es wurden auf beiden Seiten Milliarden an Strafzöllen verhängt. Aber soweit sollte es nicht kommen.

    Wir haben es hier auch mit einem strategischen Spiel zu tun.

    Gabriel Felbermayr, Wirtschaftswissenschaftler

    Und da gehört es schon auch dazu, dass europäische Politiker sagen: Wir können auch anders, wenn man unsere Interessen beschneidet.
    ZDFheute: Finanzminister Christian Lindner hat hier in Brüssel einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen à la TTIP vorgeschlagen. Halten Sie das für denkbar?
    Felbermayr: Wünschenswert wäre das - aber wenn ich sehe, wie groß die Probleme aktuell sind, selbst ein Freihandelsabkommen mit Kanada zu ratifizieren, dann ist es wohl nicht realistisch. Ich glaube, es ist sehr viel erfolgversprechender, auf den sogenannten Technologie- und Handelsrat zwischen Europa und den USA zu setzen: Da können wir Probleme wie das aktuelle hoffentlich im Konsens lösen.
    Das Interview führte ZDF-Korrespondent Florian Neuhann.
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