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Washington Update : Vom netten, alten Herrn zurück zum Führerkult?

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Ein Jahr ist der Sturm auf das US-Kapitol durch Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump her. Doch der Angriff auf die Demokratie in den USA ist längst nicht vorbei.

Die Silhouette des US-Präsidenten Trump schimmert bei dessen Ankunft durch eine US-Flagge zu Beginn einer Wahlkampfveranstaltung im Santa Ana Star Center.
Trotz des Versuchs seiner Anhänger, die Auszählung der Wahlstimmen im letzten Jahr gewaltsam zu verhindern, musste Donald Trump das Weiße Haus verlassen. Doch sein Einfluss endete damit nicht.
Quelle: dpa

Einmal durchatmen nach dieser Woche der Erinnerung an den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar vor einem Jahr. Ja, da lief viel, in Zeitungen, Radio, Fernsehen, Nachrichtenbeiträge, tolle Dokumentationen. Aber haben wir damit mehr geschafft, als uns am Jahrestag einmal zu gruseln und dann die Sache abzuhaken? Schließlich ist da jetzt ja dieser nette, ältere Herr im Weißen Haus, so dass man sich um Amerika nicht wirklich Sorgen machen muss.

In den sozialen Medien werfen uns ein paar Abgedriftete „widerliche Hetze“ vor. Sogar manche, die eher dem politischen Mittelfeld zuzuordnen sind, können in den Ereignissen von damals keinen Umsturzversuch erkennen.

Woche des Erinnerns in der USA

Hm, vielleicht helfen an dieser Stelle ein paar Zitate, die in dieser Woche des Erinnerns viel mehr Platz verdient hätten: “Ich bin mein Leben lang schon Republikaner und glaube an das, was die Republikanische Partei in Bestform über Jahrzehnte ausgezeichnet hat. Es darf keine Verharmlosung dessen geben, was geschehen ist, und keine Absolution für jene, die einen Versuch geplant, befeuert und unterstützt haben, unsere Demokratie umzustürzen. Das verlangt die Liebe zu unserem Land. Das ist wahrer Patriotismus.”

Karl Rove, der diese Worte im Wall Street Journal schrieb, ist nun wahrlich keine linke Socke, sondern einer der angesehensten Strategen der Republikaner, ehemaliger Stabschef des Weißen Hauses unter George W. Bush.

Rare Kritik aus der republikanischen Partei

Rove stellt sich damit demonstrativ an die Seite von Liz Cheney, die als eine der wenigen Parlamentarier/innen in der republikanischen Partei den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen: "Jeder, der einen gewalttätigen Angriff auf das Kapitol provoziert, um die Zählung der Wahlmännerstimmen zu stoppen", so Cheney bei CNN, "jeder, der Fernsehen schaut, während Polizisten verprügelt wurden, während seine Anhänger in das Kapitol der Vereinigten Staaten einmarschierten, der ist klar ungeeignet für künftige Ämter, der darf eindeutig nie wieder auch nur in die Nähe des Oval Office kommen."

Neben Liz Cheney stand während der Schweigeminute im Parlament am Donnerstag ihr 80-jähriger Vater Dick Cheney. Dass niemand sonst von der republikanischen Partei, nicht einmal die Führung, zum Gedenken erschienen war, kommentierte der ehemalige Senator, Verteidigungsminister und Vizepräsident der Vereinigten Dick Cheney mit den Worten:

"So ein Führungsverhalten habe ich bei niemandem in den zehn Jahren erlebt, in denen ich hier (im Senat) war. Ich bin tief enttäuscht, dass wir in der Republikanischen Partei keine besseren Anführer haben, um die Verfassung wiederherzustellen.“ Cheney gebrauchte die Gegenwartsform. Könnte es sein, dass er den Verfassungsbruch noch nicht beendet sieht?

Verschwörungsgläubige Trump-Anhänger in politischen Ämtern

Tatsächlich geht der Umsturzversuch weiter, schleichend, weil Donald Trump und seine willfährigen Helfer in Politik und Medien die Lüge von der angeblich gestohlenen Wahl weiterverbreiten und so sehr Stimmung machen, dass nach Umfragen acht Prozent der Amerikaner Gewalt für gerechtfertigt halten, um ihn wieder ins Amt einzusetzen.

Überall bewerben sich verschwörungsgläubige Anhänger Trumps um Ämter - von Wahlausschüssen bis zu Innenministerien - in denen sie Ablauf und Ergebnisse manipulieren könnten. Gleichzeitig versuchen republikanische Mehrheiten in mehreren Bundesstaaten, Gesetze zu verabschieden, mit deren Hilfe sie Wahlen nach Stimmenauszählung für ungültig erklären und selbstherrlich Kandidaten zu Siegern ausrufen könnten.

Trump: Ein Führerkult?

Dagegen regt sich selbst bei Trumps früheren Mitarbeitern Widerstand, zum Beispiel bei der ehemaligen Pressesprecherin des abgewählten Präsidenten Stephanie Grisham: "Regierungsangestellte werden sich treffen und beraten, was wir tun können, um ihn zu stoppen und den Extremismus, die Gewalt und die Rhetorik, die (…) weiterhin das Land spaltet. Ich möchte selbst durchs Land reisen und mit Menschen reden, die - wie ich einst - zu seinen Gläubigen zählen. Ich will, dass die Menschen verstehen, wer er ist. Er interessiert sich für niemanden außer für sich selbst.”

Grisham benutzt das Wort "Believers" also "Gläubige". Könnte es sein, dass sie hier bewusst einen Führerkult beschreibt? Meine Antwort: Es ist ein Führerkult.

Das "Netter-älterer-Herr-im-Weißen-Haus"-Syndrom

Woran könnte es wohl liegen, dass immer noch so viele dem Verlierer einer freien, geheimen und fairen Wahl seine Lügen glauben? Einen von vielen Gründen will ich hier noch kurz anreißen: In den vergangenen 15 Jahren haben rund 2.200 Zeitungen in den USA dichtgemacht. Die, die es noch gibt, haben zwischen 2008 und 2020 – so eine Studie des Pew Research Centers - 57 Prozent ihrer Mitarbeiter/innen entlassen.

Vielfach sind nur Anzeigenblättchen übrig. Nur in einem Drittel der 3.000 Landkreise in den USA gibt es noch eine Tageszeitung. Wo eine kontinuierliche, kritische Berichterstattung fehlt, wo Nachrichten immer mehr auf die Hast und Oberflächlichkeit von Breaking-News setzen, bekommen langsame, bedrohliche Entwicklungen nicht die dringend notwendige Aufmerksamkeit.

Deshalb ist es wichtig, dass wir dem nachgehen, was da im Gange ist; dass wir nicht nach Abhaken des Jahrestages aufatmen, nur weil jetzt dieser nette, ältere Herr im Weißen Haus sitzt. Das nämlich könnte sich bald wieder ändern.

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