Biden wollte Amerika wieder vereinen, Corona besiegen und die USA auf den Weg zur Klimaneutralität bringen. Große Versprechen - was ist ein Jahr nach Amtsantritt daraus geworden?
Die Herausforderungen waren groß, als Joe Biden am 20. Januar 2021 das erste Mal als US-Präsident zu den Amerikaner*innen sprach.
Corona
Im Frühjahr, als in Europa noch über Impfreihenfolge und Impfstoff-Mangel diskutiert wurde, hat man in den USA schon millionenfach die Spritze angesetzt. In jedem Supermarkt, in Freizeitparks, per Drive-In - Hauptsache schnell und unbürokratisch. Biden hatte 200 Millionen Impfungen in seinen ersten 100 Tagen im Amt angekündigt - und geliefert. Die USA waren Impfweltmeister.
Doch das große Impfen kam an seine Grenzen. Die Impfskeptiker*innen waren und sind eisern, das Thema hochpolitisch. Inzwischen sind 63 Prozent zweifach geimpft, im Vergleich zu knapp 73 Prozent in Deutschland.
Das leidlich geimpfte Land wurde im Sommer von einer Delta-Welle überollt. In diesem Winter sorgt Omikron mit etwa 800.000 Infektionen täglich für Rekordwerte. Und Bidens Regierung steht in der Kritik - etwa weil die Selbsttests für Zuhause knapp sind.
Wirtschaft
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit löste Biden ein teures Wahlversprechen ein: Corona-Hilfen in Höhe von 1,9 Billionen Dollar. Per Post und Scheck zugestellt gab es 1.400 Dollar bares Geld für jeden US-Amerikaner und jede US-Amerikanerin.
Bidens Beliebtheitswerte stiegen im März auf ihren Höchstwert von 59 Prozent. Selbst ein paar Republikaner*innen waren da zufrieden.
Wirtschaftlich ging das Jahr fast so erfolgreich zu Ende, wie es angefangen hatte. Im November unterzeichnete der US-Präsident eines der größten staatlichen Infrastrukturpakete in der Geschichte der USA. 1,2 Billionen Dollar, die in Straßen, Brücken, Häfen, Flughäfen, den Nahverkehr und die Bahn fließen.
Es war auch ein selten gewordener politischer Sieg. Denn das Gesetz wurde von Republikanern und Demokraten gemeinsam beschlossen.
Trotzdem sind Bidens Beliebtheitswerte seit Monaten im Sinkflug. Das liegt laut Todd Belt weniger an einem überstürzten Abzug aus Afghanistan - wie es anfangs häufig hieß. Sondern vor allem an den Auswirkungen einer historisch hohen Inflation von sieben Prozent.
Klima
Biden hatte seinen Wähler*innen eine verantwortungsvollere Klimapolitik als unter Vorgänger Donald Trump versprochen. Noch am Tag seiner Vereidigung trat er wieder dem Pariser Klimaabkommen bei. Ein Akt, so symbolisch wie einfach.
Schwieriger sollte es werden, seine Klimaversprechen konkret zu machen.
Dafür setzte er ein Programm auf, zunächst 3,5 Billionen Dollar schwer: teils Bildungsreform, teils Sozialreform, teils Klimagesetz. Zusammen sollte es Bidens Vermächtnis werden. Inzwischen ist der Umfang des Gesetzespakets deutlich geschrumpft. Aber immer noch sollen 555 Milliarden Dollar in den Klimaschutz fließen.
Doch das Gesetz wird seit Monaten von einem Senator aus den eigenen Reihen blockiert. Joe Manchin, dessen Familie in der Kohleproduktion tätig ist, verleitet bissige Kommentator*innen immer öfter zu der Frage: Ist Joe Biden noch Präsident - oder Joe Manchin?
Demokratie
Und dann ist da noch eine riesige Baustelle, die Biden aus Sicht vieler Aktivist*innen zu lange vernachlässigt hat. In 19 Bundesstaaten wurden im vergangenen Jahr Wahlgesetze erlassen, die es den Menschen schwerer machen, ihre Stimme abzugeben. In Georgia wurde es etwa verboten, Wartenden vor Wahllokalen Essen und Trinken zu bringen.
In einer Rede in Atlanta gab Biden sich kämpferisch. Kündigte an, geplante Gesetze auf Bundesebene durchzusetzen - selbst wenn dafür Abstimmungsregeln im Kongress geändert werden müssen.
Denn eine zweite Art von Wahlgesetzen macht Demokrat*innen besonders große Sorge: So sollen künftig Parlamente in den Bundesstaaten das letzte Wort über die Wahlleute haben, die dann den US-Präsidenten bestimmen. Das hatte Trump schon 2020 versucht. 2024 könnte er die gesetzliche Grundlage dafür haben. Manche sprechen von einem Staatsstreich, der da vorbereitet wird.
Biden ist vor allem mit dem Versprechen angetreten, Amerika wieder zu einen. Doch auch im Januar 2022 glauben immer noch unglaubliche 40 Prozent aller US-Amerikaner*innen, dass Biden die Wahl nur durch Betrug gewonnen hat.
Wenn also Bidens Bilanz nach einem Jahr enttäuschend ausfällt - dann liegt das aus Sicht von Todd nicht nur an ihm und seiner Regierung.
Er wird es weiter versuchen (müssen). Doch im November stehen bereits die Zwischenwahlen an. Herbe Verluste für die Demokraten im Kongress gelten als so gut wie sicher. Ohne Mehrheit im Kongress sind größere Gesetzesvorhaben fast unmöglich. Das zweite Amtsjahr könnte für Biden noch deutlich härter werden als das erste.