Die Erwartungen an sie waren hoch. Die erste Frau im Amt, die erste Person of Color. Doch sie kann sich nicht profilieren - und jetzt kündigen auch noch ihre Mitarbeiterinnen.
Sie verlieh Joe Biden ein wenig Glanz, Modernität. Im eigenen Land, aber auch im Rest der Welt. Zusammen wirkten Kamala Harris und US-Präsident Biden, als seien sie fit für die Zukunft, vielleicht sogar über die nächsten vier Jahr hinaus. Er, mit 78 Jahren der älteste US-Präsident der Geschichte, und sie mit inzwischen 57 Jahren verhältnismäßig jung, weiblich, Schwarz.
Realitätscheck für Harris
Fast ein Jahr nach dem Amtsantritt hält dieses Bild dem Realitätscheck nicht stand. Das zeigen nun auch zwei Kündigungen in Kamala Harris‘ Team. Ihre Sprecherin Symone Sanders verlasse zum Ende das Jahres ihren Posten, teilte das Weiße Haus am Donnerstag mit.
Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass auch Harris' Kommunikationsdirektorin, Ashley Etienne, zum Jahresende das Team verlassen wird, um sich "anderen Aufgaben zu widmen".
Kamala Harris ist das Kind von Einwanderern. Zielstrebig verfolgt sie einen steilen Karriereweg.
Kündigungen "ganz natürlich"?
"Es ist ganz natürlich, dass sie nach ein paar Jahren bereit ist, etwas Neues zu machen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki zur Kündigung von Sanders. "Die Arbeit im ersten Jahr einer Amtszeit im Weißen Haus ist aufregend und bereichernd, aber auch anstrengend und ermüdend."
Bereits im Juli berichtete das Politmagazin Politico, dass Harris' Mitarbeiter*innen "schlechte Stimmung, durchlässige Kommunikation und ein geringes Vertrauen zwischen Angestellten und hochrangigen Beamten erlebten". Immer wieder gab es Medienberichte über Frust, Machtkämpfe und eine schlechte Team-Führung.
Kein eigenes Profil, schlechte Umfragewerte
Diese Berichte wollen irgendwie dazu passen, dass es Harris bislang nicht gelungen ist, den Erwartungen an sie gerecht zu werden - sich ein eigenes Profil zuzulegen. Ihre Zustimmungswerte sind dementsprechend nicht berauschend. Laut der jüngsten Gallup-Umfrage liegen sie bei 49 Prozent.
Biden betraute die Vizepräsidentin insbesondere mit zwei Themenkomplexen: Einwanderungspolitik und Wahlrecht. Mit beiden lassen sich in der US-Politik wenige Blumentöpfe gewinnen.
Die Einwanderungspolitik ist für die Biden-Harris-Administration vor allem deshalb problematisch, weil jeden Monat hunderttausende Menschen aus Zentralamerika versuchen, die Südgrenze zu überqueren. Der linke Flügel der eigenen demokratischen Partei drängt zu einer humaneren Flüchtlingspolitik, die Republikaner verlangen ihrerseits härteres Durchgreifen.
Harris kann nur verlieren.
Schlechte Performance - oder Sexismus?
Berichte, dass diese Themenverteilung auch zu Spannungen zwischen Harris‘ Team und Bidens Mitarbeiterstab im West Wing geführt hätten, wies das Weiße Haus zurück. Sprecherin Psaki sagte dazu, sie habe das Gefühl, dass Sexismus zu einem Teil der Kritik an Harris beigetragen habe.
Eintreten für Gerechtigkeit: Dafür steht Kamala Harris. Sie hat, was Präsidentschaftskandidat Biden fehlt – Profil. Kämpferisch und entschlossen will sie ins Weiße Haus einziehen.
Und tatsächlich fragt sich der ein oder andere Beobachter, die ein oder andere Beobachterin, ob ein männlicher Vizepräsident so viel Gegenwind erfahren würde. Denn zur Wahrheit gehört auch: Dass Harris nicht im Rampenlicht steht, nicht glänzen und unabhängig auftreten kann - das liegt vor allem an ihrem Amt.
Ein Vizepräsident oder eine -präsidentin steht nun mal an der Seite des US-Präsidenten, ist loyal, unterstützt dessen politische Agenda. Und leidet mit, wenn es mal nicht so gut läuft. Denn noch schlechter als Harris' Umfragewerte sind aktuell die von Biden. Lag die Zustimmung zu seiner Politik im Juni noch bei 55 Prozent, ist sie inzwischen auf 37 Prozent abgerutscht.
Präsidentschaftskandidatin 2024?
Seit Harris an Bidens Seite in den Wahlkampf eingestiegen ist, spekulieren viele, dass sie 2024 als Präsidentschaftskandidatin ins Rennen gehen könnte - sofern Biden nur eine Amtszeit macht. Spätestens für 2028 wurde sie als aussichtsreiche Kandidatin gehandelt.
In den vergangenen Wochen aber hat sich der Wind gedreht, viele Kommentator*innen halten Pete Buttigieg, den Verkehrsminister in Bidens Kabinett, für den aussichtsreicheren Kandidaten. Doch bis 2024 ist es noch lang. Der Wind kann sich noch ein paar Mal drehen.
- Wer ist US-Vizepräsidentin Kamala Harris?
Kamala Harris ist als US-Vizepräsidentin eine der mächtigsten Frauen der Welt. Mit ihr gibt es zum ersten Mal eine weibliche Besetzung des Amtes. Aber wer ist Kamala Harris genau? Wofür steht sie politisch und was sagen ihre Gegner und ihre Befürworter...