Beim Amerika-Gipfel in Los Angeles gibt es viele Spannungen zwischen Gastgeber USA und dem lateinamerikanischen Süden. Es geht um aktuelle Fragen und historische Streitfälle.
Wohl erst am Montag wissen US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris als Gastgeber des Amerika-Gipfels in Los Angeles, welche Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika tatsächlich in die kalifornische Metropole anreisen. Bis zuletzt gibt es ein diplomatisches Tauziehen um die Inhalte und die Ausrichtung des Treffens. Das gespannte Verhältnis zwischen Kanada und den USA einerseits sowie den lateinamerikanischen und karibischen Staaten andererseits tritt offen zu Tage.
Diesmal ist die Kluft besonders groß - das liegt vor allem an drei Streitthemen, die nördlich und südlich des Rio Grande, den die Mexikaner Rio Bravo nennen, unterschiedlich bewertet werden.
Streitfall 1: Wie umgehen mit Kuba, Venezuela und Nicaragua?
Offensichtlich ist der Bruch zwischen den USA und einer großen Zahl lateinamerikanischer Regierungen beim Umgang mit den Linksautokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua. Washington will die drei Regierungen nicht einladen, weil in den Ländern demokratische Standards wie freie Wahlen nicht eingehalten werden.
In Venezuela und Nicaragua wurden bei den letzten Präsidentschaftswahlen die aussichtsreichsten Rivalen der Amtsinhaber Nicolas Maduro und Daniel Ortega ausgeschlossen, sind im Exil oder in Haft. In Kuba gibt es nur eine einzige zugelassene Partei.
Demokratische Linksregierungen wie Mexiko, Honduras oder Argentinien kritisierten eine mögliche Nichteinladung der drei Länder, weil dies einen direkten Dialog verhindere. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador wird als Reaktion auf den Ausschluss anderer lateinamerikanischer Staaten nicht am Amerika-Gipfel in den USA teilnehmen. Auch die honduranische Präsidentin Xiomara Castro erwog öffentlich einen Boykott. Kubas Vize-Außenminister Carlos Fernández de Cossio kritisierte, die Hemisphäre zwischen denen aufzuteilen, die Washington toleriere und nicht toleriere, sei als Rezept zum Scheitern verurteilt.
Die USA haben Kuba dazu aufgerufen, das Demonstrationsverbot für die heute stattfindenden, landesweiten Demonstrationen aufzuheben. Die Menschen fordern politische Reformen.
Streitfall 2: Migration in Richtung USA
Ein weiterer Streitpunkt ist der Umgang mit den Migrationsbewegungen aus dem Süden in Richtung USA. Tyler Mattiace von Human Rights Watch erwartet im Gespräch mit ZDFheute, dass dieses Thema einen breiten Raum in Los Angeles einnehmen wird. Die Biden-Administration habe angekündigt, dass einige Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel eine regionale Erklärung zu Migration und Schutz unterzeichnen werden, sagt Mattiace. Sie fordert von den USA ein Umdenken:
Mattiace beklagt, dass Migranten zu "gefährlichen, irregulären Reisen wie zum Beispiel den lebensgefährlichen Darien-Dschungel zwischen Kolumbien und Panama" verleitet würden. "Und sie hat es Menschen, die vor Verfolgung fliehen, außerordentlich schwer gemacht, Schutz vor Gewalt zu erlangen", lautet ihre Kritik an der US-Regierung.
Mexikanische Behörden haben ein Migranten-Lager in Tijuana an der Grenze zu den USA geräumt. Die etwa 400 Menschen wurden in Notunterkünfte gebracht.
Streitfall 3: Russland-Sanktionen des Westens
Mit Sorge sehen die lateinamerikanischen Staaten die Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine. Zwar verurteilen nahezu alle Regierungen - mit Ausnahme der Linksautokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua - die russische Invasion. Sie kritisieren aber die Sanktionen des Westens gegen Moskau, deren Folgen auch im Rest der Welt zu spüren seien. Der argentinische Präsident Alberto Fernandez sagte jüngst in Berlin: "Die Ernährungssicherheit vieler Menschen auf dem amerikanischen Kontinent ist gefährdet."
- Lateinamerika - Putins sichere Bank
Nach dem Überfall auf die Ukraine ist Wladimir Putin nicht so isoliert, wie es erscheinen mag. In Lateinamerika wird Russland anders wahrgenommen - aus historischen Gründen.